In meinem letzten Artikel bin ich der Frage nachgegangen, warum Backlinks immer noch enorm wichtig für den Google-Algorithmus sind. Doch wenn es um externe Signale geht, die auf eine Website verweisen, dann führt die Diskussion fast unweigerlich zu den Social Signals – und das, obwohl Google mehrfach offiziell verlautbaren ließ, dass diese gar keinen Einfluss auf das Ranking haben.
Warum Social Signals die Backlinks in den kommenden Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht als wichtigsten externen Rankingfaktor ablösen werden, will ich in diesem Artikel behandeln.
Mit den Netzwerken kam die Diskussion
Bis zum Jahr 2011 wurden externe Signale faktisch mit Backlinks gleichgesetzt. Seitdem erleben wir auf SEO-Konferenzen, in Foren und auf Stammtischen vielfältige Diskussionen darüber, ob denn jetzt auch Signale aus den sozialen Netzwerken für die Ranking-Berechnung relevant sind. Und diese Entwicklung spiegelt sich auch im Suchvolumen des entsprechenden Keywords wieder:
Weltweites Interesse am Suchwort „social signals seo” seit 2010
Und diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Denn etwa zur selben Zeit startete Google sein bisher größtes Experiment im Bereich der Social Networks: Google+. Nach einigen gescheiterten Versuchen, ein eigenes Netzwerk in Konkurrenz zu Facebook und Twitter zu etablieren, setzte der Suchmaschinenriese am 28.06.2011 alles auf eine Karte. Google+ ging Live und wurde von allen Google-Teams intensiv beworben und in zahlreiche Applikationen und Funktionen integriert (so mussten Nutzer und Nutzerinnen einen Account erstellen, um viele andere Google-Dienste zu nutzen). Es lag also nahe, dass Google auch vor dem Ranking-Algorithmus nicht Halt machen würde, um sein neues Baby zu pushen.
Spannend ist auch, dass das Interesse am obigen Suchbegriff nicht abebbte. Vor allem mit dem Launch des ersten Pinguin-Updates im Jahr 2012 stiegen die Suchanfragen noch einmal stark an. SEOs waren in dieser Phase unschlüssig, ob Backlinks weiterhin eine zentrale Rolle für das Ranking spielen würden. Sie suchten also nach möglichen Alternativen, die für externe Signale sorgen könnten. Denn für den Google-Algorithmus sind externe Faktoren sozusagen lebensnotwendig. Sie sind der verlängerte Arm der Faktoren „Technik“ und „Semantik/Content“, die gemeinhin unter dem Namen OnPage-Optimierung zusammen gefasst.
Was sind Social Signals?
Mit dem Begriff Social Signals bezeichnet man Signale, die von sozialen Netzwerken wie Facebook, Google+, Twitter, Pinterest, aber auch Diensten wie Tumblr generiert werden. Im Facebook-Universum können das zum Beispiel Likes oder Shares sein, vergleichbare Metriken gibt es bei Google+, Twitter und Konsorten.
Und davon gibt es einige. Von den aktuell etwa 3,5 Milliarden Internetnutzern nutzen etwa 2 Milliarden pro Monat aktiv Facebook. Und auch die anderen großen Netzwerke wie YouTube, Twitter Instagram und Snapchat haben mehrere 100 Millionen aktive NutzerInnen im Monat. Da kommen also einige Social Signals zusammen.
Die aktiven Nutzer der großen sozialen Netzwerke pro Monat
Eine logische Schlussfolgerung aus diesem Umstand wäre, dass eine Suchmaschine, die die Relevanz einer Website in Rankings widerspiegeln will, diese gewaltigen Datenmengen nutzen muss. Aber kann Google das überhaupt? Diese Frage klären wir später.
Zunächst wollen wir herausfinden, inwiefern Social Signals für die Bewertung des Google-Rankings nützlich sein könnten. Hierzu hilft ein Blick darauf, wie Google Backlinks bewertet. Im Jahr 1997 meldete Larry Page, einer der Google-Gründer, das Patent zum sogenannten „PageRank“ (Patent US 6285999 B1) an, welches du heute noch nachlesen kannst. Das Grundkonzept davon ist, dass jede URL über Links PageRank weiter gibt. Je mehr PageRank eine Seite hat, desto besser rankt sie.
Weitergabe von PageRank
Dabei wird davon ausgegangen, dass jeder interne oder externe Link den vorhandenen PageRank im gleichen Maße weiter gibt. Ein Dämpfungsfaktor sorgt dafür, dass Links nicht unendlich weiter verfolgt werden und irgendwann einfach keinen PageRank mehr weitergeben.
In den Anfangsjahren von Google konnte man also das Ranking sehr leicht beeinflussen, indem man einfach viele Links von Websites aufbaute, die selbst viel PageRank (= viele Backlinks) erhielten. Suchmaschinenoptimierer hatten es dementsprechend vor etwa 15 Jahren noch sehr einfach. Salopp gesagt konnten sie einfach Links auf Masse generieren, egal wie zweifelhaft die Quellen waren. Dass dieses System zur Berechnung von Rankings ungenügend war, wurde Google schnell klar.
Über die Jahre hat Google den PageRank-Algorithmus erweitert und ihm viele Komponenten hinzugefügt. Die Frage, welche URL verlinkt und wie viel Vertrauen Google in diese selbst hat (über die Anzahl ihrer eingehenden Links hinaus), spielte eine immer größere Rolle. Dann ging es dementsprechend nicht mehr um möglichst viele Links, sondern möglichst viele Links von Websites, denen Google vertraut.
Über die Jahre hat Google das System PageRank weiterentwickelt. Heute gibt ein Backlink Linkjuice oder auch Trust weiter. Dies passiert im Grunde genommen nach dem gleichen Prinzip. Eine URL hat einen Linkjuice X und verteilt diesen über Links weiter – allerdings nicht mehr gleichmäßig. Bekommt man zum Beispiel einen Link aus dem Footer, der noch dazu in Schriftgröße 5 verlinkt, dann misst ihm Google weniger Wert bei. Verkürzt gesagt: In 2017 geht es darum, möglichst viele Links von Websites zu bekommen, denen Google vertraut – UND diese müssen vom Nutzer bzw. von der Nutzerin wahrgenommen und geklickt werden.
Diese Darstellung ist sehr vereinfacht, aber sie soll dabei helfen, zu verstehen, unter welchen Voraussetzungen Social Signals für die Ranking-Berechnung relevant sein können.
Überträgt man das obige Prinzip auf Social Signals, dann könnte sich Google eigentlich die nackte Anzahl von Facebook-Likes für ein Dokument schnappen. 2014 waren das immerhin 4,5 Milliarden pro Tag. Es werden Stand heute sicherlich ein paar mehr sein.
Warum Google diese Daten nicht nutzt, liegt auf der Hand. Die reine Abgabe eines Likes kann man noch einfacher „gamen“, als den Aufbau eines Backlinks. Es ist mit weniger Aufwand verbunden und ist daher absolut ungeeignet, um ein Ranking-Signal zu sein. Ebenso verhält es sich mit Facebook Shares oder Retweets via Twitter. Würde Google diese Signale zur Relevanzberechnung integrieren, würde die Qualität der Suchergebnisse sofort steil nach unten gehen. Und das wäre das Gegenteil dessen, was Google will: Die NutzerInnen immer wieder zu Google zu holen, um sie dann mit Werbung zu monetarisieren.
Wenn es nur so einfach wäre: 2500 Likes für 20 Euro auf Fiverr – und je weiter man Richtung Osten schaut, desto billiger der Spaß
Strukturierte Daten „hinter“ den Likenden
Die Nutzung von Likes oder Shares wäre also ein Fall von „back to 1997“ – nicht sehr vorteilhaft für Google, die Nutzer und Nutzerinne sowie die ehrlich arbeitenden SEOs. Aber gibt es einen anderen Weg? Könnte man die Social Signals, die ja allein aufgrund ihrer Masse eine gewisse Relevanz haben, nicht doch irgendwie im Ranking abbilden? Würde Google zum Beispiel verstehen, wer hinter einem Like oder Share steht und ob diejenige Person eine Relevanz für das Thema der Zielseite hat, dann wäre es schon deutlich spannender.
Nehmen wir mal folgendes Beispiel: Gary Vaynerchuck, absoluter Wein- (und Marketing-) Profi, ist seit vielen Jahren auf allen Social-Media-Kanälen extrem umtriebig. Etwa zwei Millionen Menschen liken seine Fanpage. Man kann davon ausgehen, dass ein bestimmter Teil von ihnen Ahnung von Wein hat, selbst häufig über Wein postet und das Thema Wein als ein Interesse angegeben hat. Denken wir uns mal die ganzen Marketing-Follower weg und nehmen an, dass seine komplette Anhängerschaft etwas mit Wein zu tun hat. Wäre der nachfolgende Post nicht der perfekte Link – Entschuldigung – Share?
Influencer postet über Unternehmen
Für Google wären also die strukturierten Daten „hinter dem Likenden“ von größter Bedeutung, um bemessen zu können, ob hier ein relevantes Social Signal gesendet wird. Hat also Gary Vaynerchuk etwas Spannendes über Weine gepostet – oder hat zum Beispiel Thomas Gruhle – ohne Ahnung und logischerweise fehlende Anhängerschaft im Bereich Wein – einen Share zum Besten gegeben?
Google fehlen strukturierte Daten
Doch an diese Daten kommt Google nicht heran – und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Die großen sozialen Netzwerke sind allesamt in der Hand von Googles größten Konkurrenten. Diese haben kein Interesse daran, dass der Nutzer bzw. die Nutzerin ihre Plattformen verlässt, um bei Google ein gutes Suchergebnis zu finden.
Im Gegenteil wollen sie die UserInnen in ihrem eigenen System halten und dafür sorgen, dass sie dort alles finden, was sie brauchen. Google kommt also nicht an die Daten, die zur Einarbeitung von Social Signals in das Ranking wirklich relevant wären. Und die Konkurrenz wird auch in Zukunft den Teufel tun, an diesem Umstand etwas zu ändern.
Und was ist mit Google+?
Google+ hat nie auch nur annähernd so funktioniert, wie die Macher es gerne gehabt hätten. Im April 2019 wurde es folgerichtig eingestellt. Google hat also kein eigenes soziales Netzwerk mehr (YouTube ist eher eine Suchmaschine als ein Social Network). Und damit auch keinen Zugriff auf Social Signals.
Fazit: Und was sagt Google dazu?
Trotz dieses Umstandes sahen sich Googles offizielle Sprachrohre in den vergangenen Jahren immer mal wieder genötigt, ein Statement zu Social Signals und ihrer Wirkung auf das Ranking abzugeben. Zuletzt wurde es allerdings sehr ruhig um dieses Thema – lediglich in den Google Webmaster Hangouts stellt John Mueller immer mal wieder fest, dass diese Signale nicht genutzt werden, da alle Links aus den sozialen Netzwerken ja Nofollow sind. Die letzten wirklich verwertbaren Aussagen stammen daher von Matt Cutts und datieren auf den 22.01.2014:
„As far as doing special specific work to sort of say, oh, you have this many followers on Twitter or this many likes on Facebook, to the best of my knowledge, we don’t currently have any signals like that in our web search ranking algorithms.“
Interessant ist auch Matt Cutts Antwort auf die Frage nach dem am meisten überschätzten Rankingfaktor, auch wenn diese aus dem Jahr 2012 datiert: „Short-term social data.“ Bei seinem Nachsatz „Longer-term, though, will be different“ war wohl aus heutiger Sicht der Wunsch Vater des Gedankens. Bis jetzt hat Google es nicht geschafft, aus den Social Signals einen Nutzen für das Ranking zu ziehen. Und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben.