Hi, Thomas und willkommen bei LEAP/. Kannst du uns in wenigen Sätzen sagen, worum es bei der datengetriebenen Sicht auf Content eigentlich geht?
Die übergeordnete Strategie und auch die operative Arbeit sollten stets durch Daten gestützt sein!
Beim Treffen von guten Entscheidungen in der digitalen Welt sollte man sich nicht auf Gerüchte oder Meinungen verlassen. Auch wenn in anderen Bereichen die postfaktische Weltsicht zunimmt, ist im wettbewerbsintensiven daten- und algorithmisch-orientierten Umfeld einer Suchmaschine ohne belastbare Fakten längst kein Vorankommen mehr möglich.
Noch deutlicher formuliert: Spitzenleistungen sind immer die Folge von extrem guten Entscheidungen und exzellenten Strategien und nie rein abhängig vom Zufall oder Glück.
Du hast in deinem Vortrag gesagt: „failure is predictable“. Was genau meinst du damit und welche Learnings kann man daraus ziehen?
Heutige Suchmaschinen sind sehr komplexe Systeme. Google setzt unter anderem über 100 verschiedene Ranking-Faktoren ein. Um Erfolge im SEO herbeiführen zu können, sind also eine Vielzahl richtiger Maßnahmen und Handlungen notwendig. Im Gegenteil dazu reicht meist aber schon ein einziger Fehler oder eine kleine Abweichung vom Wunschzustand, sodass man dann nicht nur keine Erfolge erzielt, sondern der Misserfolg vorprogrammiert ist.
Ich denke in diesem Zusammenhang immer gerne an Piloten im Flugzeug. Hier gibt es nicht gerade kurze Checklisten für sämtliche Prozesse und Vorgänge, um einen sicheren Flug zu gewährleisten. Dabei geht es nie um hohe Kunstfertigkeit beim Fliegen oder gar jahrelange Erfahrung. Wichtig ist nur, dass alles richtig gemacht wird und kein einziges Versäumnis oder kein einziger Fehler entsteht.
Übertragen auf die SEO-Arbeit heißt das ganz konkret: erst die saubere Grundlagenarbeit, dann die nächsten Schritte.
Für Google gibt es auf Webseiten relevantere und eher unwichtigere Bereiche. Wie erkennt man diese und worauf sollte man sich fokussieren?
Aufmerksame Leser der Google Quality Rater Guidelines erhalten einen sehr informativen und wichtigen Einblick in die Einschätzung der Suchwelt durch Google selbst. Denn diese Guidelines sind ja ursprünglich zum Zweck der Qualitätssicherung des eigenen Suchsystems entstanden und werden noch immer dafür genutzt.
Besonders die Einteilung der Webseiteninhalte in Main Content (MC) und Supplementary Content (SC) ist von großer Bedeutung. Wobei das Erkennen des Hauptinhalts einer Webseite (MC) zumindest für Menschen im Normalfall ziemlich einfach ist: „Hauptinhalt ist das, worum es geht.“
Als SEO sollte man jetzt aufhorchen, denn selten erwartet ein Suchender oder Google selbst einen schnöden SEO-Text als Hauptinhalt: Hochwertige und relevante Inhalte im zentralen Main Content der Webseite passend zum entsprechenden User-Intent sind hingegen genau das, was ein Suchender und auch Google heute honoriert!
Worin besteht deiner Meinung nach die Hauptproblematik bei der Erstellung von hochwertigem Content?
Eigentlich ist das keine Raketenwissenschaft: Der Leser und Google erwarten hochwertige und relevante Inhalte passend zur jeweiligen Suchintention!
Erfahrungsgemäß gehen hier aus inhaltlicher Sicht die Meinungen bereits auseinander. Das ist aber auch gar nicht schlimm, denn es gibt ja 10 Plätze auf der ersten Google-Ergebnisseite.
Problematisch wird es spätestens, wenn SEOs sich mit Mythen und Halbwahrheiten einmischen. Anstatt aus fundiertem Theorie-Wissen oder seriösen Untersuchungen sinnvolle und unterstützende Strategien und Maßnahmen abzuleiten.
Ein 300 Wörter SEO-Text ist noch nie die richtige Antwort auf hochwertigen Inhalt gewesen!
Warum rätst du zur Vorsicht bei der Evaluation von Maßnahmen zur Content-Strategie und Optimierung?
Leider ist es extrem schwer, saubere und geeignete Tests rund um Content aufzustellen. Denn Hauptproblem beim Testen mit Content ist immer, dass man meist einen sich veränderten Trafficfluss durch veränderte Rankings hat. Ist natürlich auch logisch, denn hinzukommender Text bringt ja neue und ggf. andere Rankings mit. Jede Veränderung auf einer Webseite führt also zwangsläufig zu Veränderungen in der Zusammensetzung des Traffics. Das hat natürlich auch weitere Auswirkungen: Veränderungen in den Conversion-Rates, Umsätzen etc., weil sich vorangestellt Suchintentionen geändert haben könnten.
Ebenso problematisch und leicht zu übersehen sind Kannibalisierungseffekte mit anderen Bereichen der eigenen Internetpräsenz. Oder noch schlimmer: über die Zeit wechselnde Fremdeinflüsse auf Rankings durch Wettbewerber.
Daher erfordern Content Optimierungs-Tests ein sehr großes und komplexes Set-up. Zu einfache und abstrahierte kleine Testumgebungen sind meist statistisch unsauber und lassen sich leicht in die zu erwartende Richtung (gerne auch unbewusst) verschieben oder interpretieren.
Ich verstehe diese Vorrede jetzt aber trotzdem als Plädoyer zum Testing!
Nur eben bitte nicht mit simplen Beobachtungs-Tests wie: „Aber mein Konkurrent macht das so und der steht damit vor mir!“
Was gehört seiner Meinung nach zu den Grundpfeilern beim Testing?
Glücklicherweise ist über den Weg der Conversion-Rate-Optimierung viel fundiertes und wertvolles Wissen rund um Testverfahren und Statistik auch in die Köpfe der heutigen SEOs und Marketing-Verantwortlichen eingesickert. Im Web selbst gibt es schon längst umfangreiches Fachwissen zum Thema Testing und sämtlichen verwandten Disziplinen. Wie bei vielen Dingen lohnt auch hier, sich vor allem und zuerst die notwendigen Grundlagen zu verinnerlichen!
Besonderes Augenmerk verdienen aus meiner Sicht diese drei Punkte:
- Hypothesen immer gegen Kontrollgruppe absichern
- Nicht nur reine Beobachtungsstudien durchführen: Nicht nur auf den Unterschied der Hypothese zur Kontrollgruppe warten, sondern diesen auch sauber durch die Rückkehr zum Normalzustand absichern (z. B. durch zeitliche Abfolge „Kontrolle & Hypothese & Kontrolle“)
- Zeitliche Einflüsse reduzieren durch geeignetes versetztes bzw. mehrfaches Testing
Gibt es in Bezug auf Content Optimierung einen signifikanten Unterschied bei der mobilen Ansicht von Webseiten?
Die mobile Welt ist extrem fragmentiert und es gibt noch immer kaum ausführliches und sauberes Datenmaterial für seriöse generalistische Einschätzungen. Klar ist aber natürlich, dass das Nutzungsverhalten auf Smartphones sich auch weiterhin eher schnell verändern wird und auch hier Suchmaschinen vermutlich noch einige Zeit eine zentrale Rolle spielen können.
Dass sämtliche Seiteninhalte überhaupt auf mobilen Endgeräten sinnvoll konsumierbar sind, gehört zu den Grundlagen. Aktuell halte ich eine unterschiedliche Optimierung oder eine nur auf Mobile angepasste Optimierung von Webseiten für nicht sinnvoll und unbegründet.
Der sagenumwobene „mobile first index“ scheint nach aktuellen Aussagen von Google-Mitarbeitern ja auch eher als Wunsch- bzw. Zielvorstellung zu existieren. Auf keinen Fall aber als einsatzfähige und erfolgreich getestete neue Index-Variante. Abgesehen vom Marketing-Buzz aus Richtung der SEOs und Agenturen erkennt man beim genaueren Hinsehen dieses Vorhabens nämlich sehr viele Problemstellungen für Google. Hier gilt also erst einmal abwarten und weiterhin saubere Grundlagenarbeit abliefern.
Detail am Rande: Die absoluten Zahlen der Desktop-Suchen steigen ja nach wie vor weiterhin an!
Im Tagesgeschäft bleibt aber doch selten die Zeit für ausgiebige Tests und Analysen. Trotzdem empfiehlst du die Cash&Run-Methode, warum?
Ich sehe Nachhaltigkeit im SEO-Kontext häufig als reine Illusion! Damit meine ich vor allem, dass wir in einer sehr schnelllebigen Zeit leben und Veränderungen häufig eher überraschend daherkommen. Im SEO- und Business-Kontext müssen aber Strategien und Maßnahmen immer in Bezug auf die verbundenen Kosten abgewogen werden. Bei SEO prognostiziert man somit häufig einfach Erfolge in die Zukunft und hofft auf deren Eintreten. Nach dem Motto: „SEO braucht seine Zeit“.
Das halte ich für extrem fahrlässig und unnötig! Dabei ist die Lösung meist sehr einfach, indem man hilfreiche Prozess-Kreisläufe im eigenen Unternehmen etabliert und diese bei jedem Durchlauf bereits positive Auswirkungen haben und direkt Geld verdient wird. Ich bezeichne das gerne als „Cash&Run“-Methode.
Bezogen auf die Suchmaschinenoptimierung heißt das vor allem: Sinnvolle (strategische) Test- und Skalierungs-Prozesse im eigenen Unternehmen aufbauen und perfektionieren.
Und zum Abschluss habe ich noch eine Frage: Hast du noch einen Geheimtipp für unsere Leser?
Dann setze ich zum Abschluss gleich noch einmal die Brille mit den „kritischen Gläsern“ auf: Ich glaube gar nicht an „Geheimtipps“! Denn sobald Tipps die Runde machen, handelt es sich meist um veraltete oder noch schlimmer, nicht mehr funktionierende Taktiken.
Auch finde ich es wichtig, dass man sich nicht Bottom-up von Tipps und Tricks leiten lässt, sondern darüber eine sinnvolle und zielführende Gesamt-Strategie entwickelt. Einzelne Taktiken, die die eigene Strategie unterstützen, kann man sich dann immer noch suchen oder selbst austüfteln.
Umso geringer ist die Gefahr, sich in der operativen Arbeit mit falschen und veralteten Taktiken festzubeißen.
Denn sind wir doch mal ehrlich – noch gar nicht lange her, gab es mal diesen Geheimtipp: 300-Wörter SEO-Texte mit spezifischer Keyword-Dichte!
Und bis heute halten sich viele Onlineshops daran, sinnlose Wortketten aneinanderzureihen und Suchenden auf Produktseiten viel sinnlosen Text unterzujubeln. Ich habe noch keinen Online-Shopper getroffen, der sich über Wikipedia-ähnliche Inhalte im Kaufprozess (z. B. rund um die Entstehungsgeschichte seines Kleidungsstücks) gefreut hat?
Abschließend dann passend doch noch diesen Geheimtipp: Simple Tipps mit Heilsversprechen sind bei einem so komplexen System wie Google meist unseriös oder nur Marketingmaßnahmen!
Lieben Dank für das spannende Gespräch, Thomas!