Das erwartet dich in diesem Recap:
- Wie war die Veranstaltung organisiert?
- Welche Speaker haben uns am meisten begeistert?
- Welche Vorträge blieben hinter den Erwartungen zurück?
Am letzten Freitag fand in Berlin der erste Rusummit statt. Die Agentur Trust in Time und das Informationsportal Ostexperte.de haben gemeinsam in die Spreewerkstätten geladen, um die Entwicklung der russischen Digitalwirtschaft zu diskutieren. Mit dabei war ein spannendes, internationales Line-up mit vielen Gesichtern, die man auf den meisten Online-Marketing-Konferenzen nicht zu sehen bekommt.
Los ging es mit Thorsten Gutmann, dem Chefredakteur von Ostexperte.de, der den inhaltlichen Rahmen des Tages vorgab: die Digitalisierung als gemeinsame Herausforderung für Deutschland und Russland. Hier Brücken zu bauen und Probleme gemeinschaftlich anzugehen sei eine große Herausforderung, aber angesichts der vielen Gemeinsamkeiten zwischen beiden Ländern keinesfalls unmöglich.
Danach ging es auf zwei Bühnen mit dem eigentlichen Programm los. Die Vorträge wurden größtenteils auf Deutsch und Russisch gehalten – und über Headsets von Simultandolmetscherinnen in die jeweils andere Sprache übersetzt (das war ganz großartig!). Die englischsprachigen Talks wurden nicht übersetzt. Hier ein Überblick über die Vorträge, die ich gesehen habe.
Auch Veaceslav betonte, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Ländern gibt. Die Prozesse der Digitalisierung ähneln sich seiner Meinung nach sehr. Und diese ist für ihn insgesamt ein Instrument der Demokratisierung. Denn durch die Technologie haben wir als Konsumenten deutlich mehr Auswahl und können frei zwischen den Anbietern wählen – auch in vormals monopolanfälligen Branchen wie Taxiunternehmen.
Auch deshalb sieht er Unternehmen wie Uber, die einen engen Kundenkontakt leben und ihr Produkt nutzerzentriert bauen weiterhin auf dem Vormarsch.
Trotz diesem Mindset versteht er es, wenn Unternehmer der digitalen Transformation skeptisch gegenüberstehen. Eine Veränderung der Zustände im eigenen Unternehmen bringt immer auch erschreckende Momente und zahlreiche Hürden mit sich. Doch Prozesse und Unternehmenskulturen verändern sich unaufhaltsam. Daher müssen auch die Unternehmer, denen es eigentlich davor graust, die Digitalisierung angehen.
Für Veaceslav ist der beste Weg das Knüpfen von Berührungspunkten zu Start-ups und ein verständnisvolles Miteinander zwischen beiden Welten (beide können ja einiges voneinander lernen). Außerdem helfen Labs, die sich außerhalb der gewachsenen Unternehmenshierarchien aufhalten. Deren Mitarbeiter müssen nicht einmal das eigentliche Kerngeschäft verstehen, sondern müssen digital und agil sein. Dann können ihre Ideen auch auf das eigentliche Unternehmensziel einzahlen.
Ein schöner Impulsvortrag, von dem neben einigen Strategien vor allem eines hängenbleibt:
„You can’t do epic shit with basic people.“
Danach war es Zeit für eine Lehrstunde. Maria Dirina zeigte uns, was man mit Yandex mittlerweile alles machen kann – und wie großartig die Targeting-Möglichkeiten mittlerweile sind. Interessant ist zum Beispiel das Ansprechen von Leuten, die sich in bestimmten Gebäuden aufhalten oder eine Route fahren.
Zunächst einmal ist es möglich, mit dem richtigen Mox aus Anzeigen, Social Links und Knowledge-Graph den kompletten Above-the-Fold-Bereich für dein Unternehmen in Beschlag zu nehmen. Wenn du also eine starke Marke hast, dann solltest du dafür sorgen, dass der Nutzer auf den ersten Blick nichts sieht außer dein Angebot.
Zudem tritt Yandex immer mehr aus dem Schatten von Google und startet starke Innovationen in den Suchergebnissen. So z. B. einen Chat in den SERPs, den es sicher bald auch bei der US-Konkurrenz geben wird.
In Yandex Maps gibt es nun Premium Branded Tags: Pins mit Logo und Werbespruch. Spricht das den Nutzer an, so hat er die Möglichkeit, seine aktuelle Route zu unterbrechen und direkt dein Geschäft anzusteuern.
Auch die Voice Search wird dank Alice, dem humorvollen Bot, immer mehr genutzt. Eine flächendeckende Monetarisierung ist nur eine Frage der Zeit.
Diese vielfältigen Möglichkeiten zeigen vor allem zwei Dinge:
Jan Berger ist Zukunftsforscher. Und er hat genug von der Digitalisierung. Vielmehr geht es ihm darum, folgendes zu ergründen:
Was tun in einer Welt, in der wir von digitalen Technologien umgeben sind?
Für ihn gibt es zwei Wege, um das digitale Thema anzugehen. Menschen aus der alten Welt legen sich eine Strategie zurecht, um ihre analogen Werte in digitale umzuwandeln. Vertreter der neuen Welt haben keine Strategie, sondern legen einfach los, um mithilfe der Technologie eine bessere Welt zu schaffen. Zweitere werden erstere irgendwann überholen.
Jan hatte viele spannende Ansätze im Gepäck (von Häusern aus dem 3D-Drucker bis zur Unsterblichkeit), welche die Zuhörer zum Nachdenken anregten. Wie immer bei solchen Themen ist es natürlich schwer greifbar, welche Ideen wirklich serienreif werden – und welche einfach verschwinden.
Doch es ist immer wieder wichtig, solche Szenarien durchzuspielen. Und es ist ebenso wichtig, sich die Freiheit zu nehmen, innovativ zu sein. Zum Beispiel mit diesen Regeln:
Nach diesem Blick in die Zukunft ging es als nächstes um handfestes Business. Genauer gesagt um den E-Commerce. Der Vortrag kam von einem, der es wissen muss – nämlich dem Chef der Otto Group Russia.
Martin zeigte auf, wie die aktuelle wirtschaftliche Situation zwischen Rubelkurs, Sanktionen und Digitalisierung von Unternehmen zu meistern ist. Dabei geht es immer mehr um Qualität in allen Bereichen, denn das Konkurrenzniveau ist in den letzten Jahren in Russland stark angestiegen. Wichtig dabei: Es gibt starke regionale Unterschiede, sodass fast von mehreren Russlands gesprochen werden kann.
Im Gesamtkontext ist der Markt mittlerweile erwachsen geworden. Preise werden verglichen, die Loyalität zu Marken nimmt ab und das Shopping verlagert sich vom stationären Handel zum E-Commerce. Und egal wie die politische Lage aussieht – der Markt ist zu groß, um ignoriert zu werden.
Ein insgesamt spannender Vortrag. Doch auch wegen der teilweise abschreckenden Slides konnte ich nicht immer folgen.
Im kleinen Raum ging es bei Kate und Andreas um das Thema Kreditmanagement. Wem gebe ich Kredite, wie hinterfrage ich die potenziellen Geschäftspartner und wann sage ich nein? Sehr spannend, aber für uns Marketer nur am Rande interessant. Wichtig jedoch: Auch spätere Zahlungsziele von Kunden sind schon Kredite. Wer ist es also würdig, diese zu erhalten?
Nach den Finanzen durfte natürlich auch das Thema Recht nicht fehlen. Den Anfang machte Andrey, der aufzeigte, wie Russland ein eigenes Cloud-System schaffen möchte. Denn im öffentlichen Sektor sind Programme, die ihre Daten außerhalb des Landes speichern, verboten. Und auch eigentlich private Unternehmen wie Gazprom müssen sich an diesen Regeln orientieren.
Es geht also um die Lokalisierung der persönlichen Daten. Sie sollen nicht im Ausland der Jurisdiktion anderer Regierungen unterliegen. Um dies zu verwirklichen, bietet sich auch eine Partnerschaft internationaler Unternehmen mit russischen Anbietern an.
Zudem erklärte Andrey die Google Tax, die mittlerweile auf digitale Angebote wie die Datenverarbeitung erhoben wird.
Elena erklärte, wie das geistige Eigentum in Russland geregelt ist. Interessant war vor allem, dass es für Dinge, die von einer künstlichen Intelligenz hergestellt werden, weder in Russland noch auf internationaler Ebene eine Rechtssprechung gibt.
In Großbritannien gab es zwar im Jahr 1988 einen Richterspruch, der besagt, dass bei allem, was von einer Maschine hergestellt wird, das Copyright an den fällt, der die Erstellung möglich gemacht hat. Inwiefern dies aber auch für AI-Produkte gilt, ist völlig unklar. Hier werden wir in den nächsten Jahren sicher einige spannende Streitfälle erleben.
Mein absoluter Lieblingsvortrag des Tages kam von einem echten Entertainer. Uwe leitet DB Cargo Russia und zeigte auf, wie sehr sich die Öknonomie politisiert (und wie sehr beide Sphären auch im Wettbewerb um die Macht stehen).
Er ist überzeugter Vermittler zwischen Deutschland, Russland und China und sieht die Möglichkeit einer neuen Seidenstraße als große Chance, um die Herausforderungen der nächsten Jahre anzugehen. Er hatte allerdings auch eine eindringliche Warnung im Gepäck:
„Vor einigen Jahren haben die chinesischen Vertreter auf Messen Fotos gemacht und viel gelernt. Heute machen sie keine Fotos mehr, sondern buchen die größten Stände und suchen sich ihre Partner aus. Sie sind nicht auf uns angewiesen, aber wir können dank unserem Know-how gut zusammenarbeiten. Wir müssen es nur richtig angehen.“
Wenn wir unsere Zukunft erfolgreich gestalten wollen, müssen wir also mit diesen neuen Partnern auf Augenhöhe zusammenarbeiten und dies mit unseren Werten in Einklang bringen. Sonst fährt der Zug, nicht nur in der Mobilitätsfrage, ohne uns ab.
Chatbots haben dem herkömmlichen Kundenservice einiges voraus. Sie sind billiger, schneller, 24/7 erreichbar und müssen nicht andauernd neu angelernt werden, weil es neue Mitarbeiter gibt.
Sie haben allerdings auch Nachteile: Jeder hat mehrere Messenger, man muss also die passende Plattform finden. Und viele sind noch unausgereift und daher ein echtes Ärgernis für die Nutzer.
George zeigte in seinem tollen Vortrag viele Beispiele, wie Bots bei Transaktionen helfen (oder sie behindern) können. Zudem zeigte er auf, wie wichtig eine stimmige Verifikation der Bots ist. Nur, wenn Nutzer den Bots vertrauen, wird seine Prognose von einer Milliarde Chatbots bis 2021 wahr werden. in den USA und China ist das Thema schon riesig, wir werden sicher bald nachziehen. Getreu dem Motto:
Gebe deinen Nutzern die Chance, mit dir zu sprechen.
Wer sind eigentlich deine Kandidaten? Wer sind deine Influencer? Und was stimmt sie traurig oder glücklich?
Diese Fragen musst du beantworten können, um die richtigen Mitarbeiter zu finden.
Außerdem fordert Karin einen Kulturwandel: Weg vom Mindset, dass Mitarbeiter nur ein Kostenfaktor sind, der nicht entscheidend zum Unternehmenswert beiträgt. Die absolute Führungsebene, also CEO, CFO und CHRO, muss es sich zur persönlichen Aufgabe machen, die besten Mitarbeiter zu rekrutieren. Und dabei muss die Brücke zwischen Paper Natives und Digital Natives gebaut werden, damit alle auch in Zukunft noch sinnvolle Tätigkeiten ausüben können.
Der gesamte Rusummit war eine wirklich gelungene Veranstaltung. Die Organisatoren haben es geschafft, spannende Speaker aus den unterschiedlichsten Bereichen zu versammeln. Ich habe viel über ein Thema gelernt, über das ich vorher wenig wusste. Beim nächsten Mal wären aber ein paar zusätzliche Pausen wünschenswert. Ich habe zwischendrin Vorträge verpasst, weil ich einfach mal den Kopf freikriegen musste. Aber auch das spricht für ein hohes Level an Input bei einer rundum lohnenden Veranstaltung.