Hi Nina, willkommen bei LEAP/! Wenn nicht auf Konferenzen, sieht man dich sehr häufig auf Weiterbildungen: vom Lehrauftrag an einer Universität bis über die q48 Academy und dem SEO Day Mentoring. Wie ist es dazu gekommen, dass du so gerne dein Wissen und deine Erfahrungen weitergibst? Besonders da du allein arbeitest und keine Junioren ausbildest.
Das ist eine Passion. Ich kann mich daran erinnern, dass ich als Kind Lehrerin werden wollte. Doch als es dann so weit war, haben mich zunächst andere Themen, wie eben das Online Marketing, gepackt. Der Gedanke daran blieb. Ich habe also schon immer gerne Vorträge gehalten, Workshops angeboten und Trainings durchgeführt. Selbst betrachte ich Weiterbildungen als eine Investition in mich und zudem als ein wundervolles Spielfeld auf dem ich meinem Interesse folge neue Dinge zu lernen. So habe ich vor einiger Zeit selbst eine Ausbildung zum systemischen Coach gemacht. Das Ziel dabei war, meine Fähigkeiten im Umgang mit Kunden aber auch in der Vermittlung von Wissen auszubauen. Lernen und Lehren geht nicht ohne Kritikkompetenz und diese geht in zwei Richtungen.
Hinzukommt, dass ich es für sehr wichtig erachte, Erfahrungen zu teilen und weiterzugeben. Ich hatte anfangs in den Niederlanden selbst einen großartigen Mentor. Ich war sehr froh, jemanden zu haben, der mir gerade bei den ersten Schritten mit den doch sehr komplexen Themen des Online-Marketings zur Seite stand. Man findet zwar zu jedem Thema online Antworten – doch das sind dann fünf verschiedene, mit denen viele neue Fragen aufkommen. Deswegen sind die Erfahrungen, die ich mitbringe, umso wichtiger und wertvoller, besonders dann, wenn man in die Branche einsteigt.
Seiner Passion zu folgen, ist das schönste, was man im Berufsleben machen kann. Doch wenn du den Einstieg in die Branche ansprichst: Wie nimmst du die allgemeinen Ausbildungsmöglichkeiten für die Online-Branche wahr?
Mittlerweile gibt es Studiengänge, doch ganz am Anfang habe ich Online-Marketing noch in Workshop-Form an Dozenten und Dozentinnen der Hochschule Arnheim und Nimwegen in den Niederlanden unterrichtet. Das traditionelle Marketing war natürlich etabliert, aber das Online-Marketing war völlig neu. Die Dozenten kannten sich mit den Besonderheiten des online Kanals und dessen Mittel entsprechend nicht aus. Inzwischen sollte jeder, der mit Marketing zu tun hat, auch Grundkenntnisse im Online-Marketing haben.
In den 17 Jahren, in denen du jetzt schon in der Branche arbeitest, hast du sicherlich einen Wandel in den Aus- und Weiterbildungen miterlebt. Inwiefern hat sich das professionalisiert? Oder denkst du, dass immer noch etwas fehlt, damit wir das Online-Marketing mit Neueinsteigern voranbringen können?
Ich glaube, dass wir mittlerweile einen ganz guten Job machen. Das Online-Marketing ist in den Köpfen der Lehrpersonen verankert – in den Universitäten gibt es eigene Fachbereiche im Bachelor- und Masterstudiengang. Und diese werden mittlerweile häufig von Experten der Branche besetzt. Das System ist hier etwas durchlässiger geworden, habe ich das Gefühl.
Was man allerdings auch sieht, zum Beispiel bei der q48 Academy oder in kleineren Agenturen, ist, dass es noch immer schwierig ist, Junioren ein flächendeckendes Spektrum der Branche zu zeigen. Während meiner Agenturzeit bin ich durch jede Abteilung gegangen, aber das war auch eine etwas größere Agentur. In kleineren Unternehmen ist das schwieriger umzusetzen; interne Schulungsprogramme sind nicht einfach abzubilden. Deswegen kann es sinnvoll sein, sich von außen Hilfe zu holen und zu sich selbst ehrlich zu sagen: „Mensch, schöner Plan. Wir sehen den Mehrwert darin, können das intern aber nicht realisieren. Vielleicht sollten wir uns jemanden dazu holen, der das für uns hinbekommt.“ Auch ein Junior muss seine abrechenbaren Stunden leisten. Auch sein Alltag ist kein Wunschkonzert. Da kann es schwer werden, zusätzliche Trainings einzubinden, die dem Kenntnisstand entsprechen und Qualität haben. Erkannt zu haben, welchen Mehrwert eine Weiterbildung hat, ist der Anfang.
Ich habe die q48 Academy selbst absolviert. Wie ist dein Eindruck über die Kenntnisse und die Motivation eurer Teilnehmer, neue Inhalte aufzunehmen und sich selbst zu verbessern?
Das ist sehr unterschiedlich. Je nach Gruppenstärke ist das ein bunt gemischter Strauß. In jeder Gruppe (das kann ich auch von der Uni sagen) gibt es High-Performer, die ein Ziel verfolgen und wirklich in sich investieren möchten. Andere sind eher aus dem Grund da, weil der Chef eine Weiterbildung für sein Team möchte. Wieder andere Teilnehmer möchten ein Zertifikat erhalten und ihren Lebenslauf aufwerten.
Gerade in der q48 haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Motivation aus zweierlei Richtung kommen kann: Wir teilen die Inhalte der Academy in einen theoretischen und einen praktischen Teil ein – die Praxis gibt Motivation für die Theorie. Andererseits ist es eine schöne Synergie, weil man die Theorie direkt in der Praxis umsetzen kann. Und in dem Moment, in dem man mit dem eigenen Projekt den ersten Euro verdient, ist natürlich auch die Motivation da.
Das kennen wahrscheinlich viele, dass man erst nach dem ersten kleinen Erfolg erkennt: Da geht ja tatsächlich was.
Genau! Und dann hat jeder eine gewisse Passion für ein bestimmtes Thema. Wir haben ein recht umfassendes Ausbildungsprogramm und es sind Themen wie BWL und Fachgebiete wie SEO, SEA und verschiedene Advertising-Modelle dabei. Wir nähern uns auch Softskills wie dem kritischen Denken an. Jeder wird Themen finden, für die er oder sie mal mehr und mal weniger brennt. Das ist aber auch okay, da die Themen wechseln und es dann wieder ein neues Kapitel gibt.
Wie seid ihr denn darauf gekommen, auch Softskills wie kritisches Denken in so einem digitalen Lernverhältnis einzubauen? Das waren meine absoluten Lieblingskapitel.
Das ist einfach ein Erfahrungswert. Unsere Academy läuft jetzt schon seit drei Jahren und wir haben einfach gemerkt, dass den Teilnehmern teilweise diese wichtigen Softskills fehlen. Gerade das kritische Denken ist eine unheimlich wichtige Kompetenz im Online-Marketing.
Ich kann zu jedem Thema online ganz viel lesen, weiß allerdings immer noch nicht, wie ich beispielsweise eine Quelle beurteilen kann. Wenn ich für ein bestimmtes Thema recherchiere, muss ich einschätzen können, ob die Informationen valide sind und ich der Quelle auch vertrauen kann.
Verschiedene Softskills waren eben bei den Teilnehmern nicht so ausgeprägt – entsprechend haben wir ein Kapitel in der q48 aufgebaut, um diese Softskills zu fördern.
Okay. Ich habe das Gefühl, dass ihr euch mit der q48 Academy sehr, sehr spitz positioniert. Du persönlich positionierst dich auch sehr spezifisch auf Linkbuilding. Wenn ich irgendwo deinen Namen sehe, denke ich immer sofort: Ach, Linkspiel. Wie hast du oder habt ihr es für die q48 hinbekommen, euch so verlässlich in die Köpfe der Teilnehmer zu verankern? Und was tust du, um die Positionierung dauerhaft zu erhalten?
Positionierung ist ganz einfach wenn Klarheit herrscht über die Zielgruppe, das zu lösende Problem und das jeweilige Angebot zur Problemlösung. Das ist auch, was wir beispielsweise in der Academy predigen: Es ist wichtig, dass die Kunden wissen, was sie erwarten können. Bevor das klar kommuniziert werden kann, muss man das für sich selbst beantworten. Ich persönlich festige meine Positionierung auch darin, mein Thema auf Konferenzen und in Mentoring-Formaten inhaltlich einbringe. Somit heißt es bei mir schnell: Ja, die Nina steht für Linkbuilding.
Wenn wir jetzt schon beim Linkbuilding sind: Sicherlich hat sich in den letzten Jahren einiges verändert, so wie sich in der SEO eigentlich ständig etwas ändert. Was waren für dich die spannendsten Entwicklungen und was glaubst du, wo geht es noch hin? Ich glaube, wir sind noch weit vom Tod des Linkaufbaus entfernt. (Und du darfst nichts von Penguin sagen.)
Das ist eine lustige Frage, da ich dir nur sagen kann, dass sich für mich gar nicht viel verändert hat. Ich habe Linkaufbau schon immer als qualitatives Linkbuilding angesehen. Das heißt, wenn ich den Kunden in den Fokus stelle und die Inhalte für ihn und nicht für die Suchmaschine erstelle, dann bin ich automatisch konform mit den Guidelines. Es geht nicht um die Suchmaschine sondern um den Kunden. Nichtsdestotrotz ist das Vorgehen strategisch.
Ja, Linkaufbau wird immer mal wieder getötet, aber lebt damit ganz gut. Ich glaube einfach, dass die Komplexität des Themas häufig dazu geführt hat, dass man Linkbuilding für tot erklärt. Dann muss man sich darum nicht mehr kümmern. Natürlich ist der qualitative Linkaufbau richtig arbeitsintensiv – es ist ein Handwerk für sich.
Und genau davor schrecken wahrscheinlich viele zurück.
Genau, das kann zur Herausforderung werden. Ich kann meinem Kunden nicht mit einer exakten Wissenschaft kommen und sagen: „Im nächsten Monat bauen wir drei Top-Links auf. In spätestens vier Monaten sehen wir unsere Positionierung auf den Top-Keywords deutlich verbessert.“ Das wird schwierig. Da kann man nur gemeinsame Ziele definieren und sich für diese einsetzen. Am Ende hängt der Erfolg vom jeweiligen Ansprechpartner, dem Inhalt der Kampagne selbst und der Vermarktung ab.
Wie gehst du besonders im Kundengespräch mit diesen Unschärfen um? Wir kennen ja alle den alten Spruch: „Frag‘ fünf SEOs und dann noch Google und die Antwort ist immer: Es kommt drauf an.“ Wie gehst du damit um, diese Unsicherheiten zu kennen und mit dem Kunden trotzdem verbindliche Projekte zu planen?
Die meisten meiner Kunden haben einen Inhouse-SEO oder Onlinemarketing-Abteilung. Meist kennen wir uns schon von früheren Projekten oder Veranstaltungen, also hat man einen kleinen gemeinsamen Background. Man hat eine Ahnung, welches Know-how das Gegenüber mitbringt. Dann schaue ich mir die Ziele des Unternehmens an und frage: Wo wollt ihr hin? Was macht ihr dafür bereits? Welche Ressourcen haben wir?
Ich habe auch schon häufig erlebt, dass es eine PR-Abteilung oder einen Pressesprecher bzw, eine -sprecherin gibt und dort bereits einiges passiert ist. Hier muss eigentlich nur der Prozess optimiert werden, um das ganze Potenzial des Linkaufbaus auszuschöpfen. Wir nutzen also bereits vorhandene Mittel, um ressourcenschonend das bestmögliche Resultat zu erreichen.
Das hört sich gut an! Dann habe ich nur noch eine Frage: Du kennst mehrere verschiedene Arbeits- und Businessmodelle, bist in einer großen Agentur gewesen, arbeitest in der q48 mit mehreren Leuten zusammen und bist für deinen Hauptberuf als Freelancerin sozusagen Einzelkämpferin. Warum ist das Einzelkämpfertum für dich das, wo du sagst: So kann ich am besten arbeiten.
Ich habe zu Beginn meiner Selbstständigkeit lange drüber nachgedacht. Die Nachfrage des Marktes hätte es hergegeben, mein Business ein Stück größer aufzuziehen. Doch warum glaube ich an den Boutique-Gedanken?
Ich habe beispielsweise von vielen meiner Kunden eine Mailadresse und trete praktisch im Namen des Kunden als Mitarbeiter im Unternehmen auf. Damit muss ich die Struktur des Unternehmens sehr genau kennen und trage große Verantwortung. Diese Arbeit lässt sich nur schwer delegieren.
Plus, was ich auch in Agenturmodellen sehe, in dem Moment, in dem ich keine 15 bis 20 Mitarbeiter im Dienstleistungssektor habe, skaliert eigentlich immer noch nichts. Unterm Strich bleibt weniger über, als wenn ich es alleine mache. Zusätzlich halte ich mir eine Menge Bürokratie und organisatorische Herausforderungen vom Hals. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, diesen Boutique-Gedanken beizubehalten und in meiner Dienstleistung ausschließlich meine Arbeitskraft anzubieten.
Vielen Dank für diese Einblicke, Nina!