Hi, Markus und willkommen bei LEAP/! Du bist seit fast 20 Jahren im Online-Marketing tätig. Wie bist du darauf gekommen, professionell mit einer eigenen Agentur zu starten und was hast du vorher gemacht?
Ich war vor meiner Zeit bei Bloofusion auf der anderen Seite tätig und habe eine der ersten deutschen Suchmaschinen entwickelt. Das war so ab 1996 und sehr spannend. Ich studierte damals Informatik und das war ein Projekt, mit dem ich mein Studium ganz gut finanzieren konnte.
Später, als ich in den USA war und dort eine Website aufgebaut und festgestellt habe, dass gar keine Besucher vorbeikommen, wechselte ich die Seiten. Ich hatte zwar jahrelange Erfahrung mit der technischen Realisierung von Suchmaschinen, hatte mich aber nie so richtig mit deren Business-Wert beschäftigt. Und so kam es, wie es kommen musste: Ich eignete mir das nötige Wissen an, auch für eigene Projekte und lernte durch verschiedene Zufälle Menschen kennen, die eine solche Beratung brauchten.
So ist 2001 Bloofusion USA entstanden. Später bin ich aus privaten Gründen zurück nach Deutschland gegangen und habe 2003 Bloofusion Deutschland gegründet und zu der Agentur ausgebaut, die sie heute ist. Seither treibe ich voran, dass wir Unternehmen beraten, vor allem in Suchmaschinen erfolgreich zu sein.
Am Anfang war es so, dass die amerikanischen Kunden aus dem schönen Münsterland heraus betreut wurden. Das hatte aber den Nachteil, dass mein Arbeitstag durch den Zeitunterschied sehr nach hinten verschoben wurde und irgendwann einfach nicht mehr funktioniert hat. Wir haben uns dann relativ schnell entschieden, beide Firmen voneinander zu trennen, sodass amerikanische Kunden und deutsche Kunden jeweils vor Ort betreut werden. Eine gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen Bloofusion USA und Bloofusion Deutschland gibt es jetzt nicht mehr.
Inwiefern unterscheiden sich die Suchmaschinen-Märkte in den USA und Deutschland? Zum Beispiel in puncto Suchverhalten und in Bezug auf die Anbieter. Was funktioniert hier, würde dort aber nicht funktionieren?
Also, das ist sehr schwer zusammenzufassen. Dafür bin ich auch nicht mehr tief genug im amerikanischen Geschäft drin, obwohl wir uns immer noch austauschen. Mein Eindruck ist aber, dass der Unterschied, den es früher zwischen Deutschland und den USA gab, eher abgeschmolzen ist. Als wir angefangen haben, war SEO in den USA ein gutes Geschäft, während es hier eigentlich noch gar nicht funktioniert hat.
Mittlerweile haben wir Deutschen aufgeholt und sind gar nicht mal so hinten dran. Insbesondere den deutschen Tool-Markt finde ich spannend, der weltweit führende Produkte hervorbringt.
Heutzutage gibt es viele Infos auf Deutsch. Hilft das dabei, dass die deutsche Branche besser wird? Weil es früher ja noch eine Sprachbarriere gab …
Kann ich schwer beurteilen. Aber ich glaube schon, dass wir Deutschen bei der Adaption neuer Technologien und Marketing-Kanäle immer relativ zurückhaltend sind. Was nicht etwa heißen soll, dass es immer die sinnvollste Strategie ist, „den neuen heißen Scheiß“ ständig nach vorne zu pushen. Dennoch haben wir definitiv aufgeholt. Das sieht man zum Beispiel an der Nutzung von Google MyBusiness bezogen auf bestimmte Branchen.
Trotzdem liegen die USA signifikant vorn. Hierzulande hast du Branchen oder Segmente, sagen wir mal Hausärzte, die nicht mal eine Website haben. Das mag daran liegen, dass amerikanische Hausärzte privat abrechnen und der deutsche Hausarzt grundsätzlich auch ohne Website eine volle Praxis hat. Aber alles in allem denke ich, dass es noch ein gewisses Potenzial gibt, vor allem eben in Branchen, die SEO noch nicht effektiv nutzen. Besonders Ein- und Zweipersonen-Unternehmen legen aus meiner Sicht noch nicht den richtigen Fokus drauf.
Wenn man sich Suchmaschinen heute anguckt, so sind in den vergangenen Jahren ja neue Suchformen hinzugekommen. Und auch die Ergebnisse werden teils anders ausgespielt, zum Beispiel als Knowledge-Panel. Was davon hättest du damals, als du selbst Suchmaschinen gebaut hast, nicht für möglich gehalten – es aber gerne gehabt? Und was sind so für dich die Sachen, die immer noch fehlen?
Das Spannendste ist alles, was mit KI zu tun hat. Als ich selber noch Suchmaschinen gebaut habe, war alles noch sehr „dumm“. Damals hat man eine Suchanfrage eingetippt und genau nach den Seiten gesucht, auf denen exakt diese Wörter vorkommen. Da hat sich der Markt erheblich weiterentwickelt, und selbst wenn du etwas relativ vage formulierst, hast du gute Chancen, passende Ergebnisse zu bekommen. Weil die Suchmaschine häufig in der Lage ist, dich trotzdem zu verstehen.
Anderswo ist noch Luft nach oben. Ich persönlich bin kein Freund davon, dass immer zehn Suchergebnisse ausgewürfelt werden, da es Suchanfragen gibt, die sich auch anders behandeln lassen. Google spielt ja mittlerweile viele unterschiedliche Such-Features aus, basierend auf der Suchfunktion. Sonst fehlen häufig wichtige Suchergebnisse und das ist nicht zielführend. Wünschenswert wäre es vielleicht, einfach nur eine große, visuell dargestellte Wolke von Ergebnissen zu bekommen, in denen man navigieren kann.
Okay, guckst du dir die Suchmaschinen heute immer noch von der technischen Seite aus an? Da würde mich mal interessieren, welche du als die beste ansiehst? Jetzt nicht nur, was die Ergebnisse betrifft, sondern auch die technischen Aspekte betreffend.
Ja, ich gucke mir das immer noch an. Mein Interesse dafür hat allerdings trotz meines Informatik-Hintergrunds stark nachgelassen. Das hat damit zu tun, dass ich in den USA festgestellt habe, dass Marketing eher das Thema ist, für das ich brenne.
Ich muss sagen, dass ich unter den All-Purpose-Suchmaschinen Google am besten finde. Auch weil Google wahnsinnig viele Daten besitzt. Das ist ja auch der wahre Schatz, den man da haben kann. Das heißt, wenn heute jemand mit einer besseren Technologie herauskäme, müsste er zunächst viele Daten auftreiben, um diese Suchmaschine zum Laufen zu bringen. Das ist mit Sicherheit eine sehr große Markteintrittsbarriere – von dem ganzen Hardware- und Software-Invest mal ganz abgesehen.
Worin siehst du den Grund, dass Google bei uns den Markt beherrscht? In anderen Ländern, nehmen wir zum Beispiel die USA, gibt es ja meist wenigstens einen ernstzunehmenden Herausforderer und damit auch einen gewissen Wettbewerb. Ich meine, selbst DuckDuckGo funktioniert hierzulande nur in einer ganz kleinen Nische, obwohl die Deutschen eher datenschutzbesessen sind …
Nun, ich glaube, dass der Suchmaschinen-Markt nach dem The-winner-takes-it-all-System funktioniert. Einfach deshalb, weil du in der Regel keine drei Suchmaschinen brauchst. Wenn du Online-Shopping betreibst, ist es zwar hilfreich, zwei oder drei Portale oder Marktplätze zu kennen – bei Suchmaschinen ist das aber anders. Eine weitere Markteintrittsbarriere.
Strebt eine neue Suchmaschine die Marktführerschaft an, so müsste sie von Anfang an deutlich besser sein als Google. Sonst sage ich als User nicht: „Okay, ab hier mache ich alles damit.“ Es ist allerdings relativ unwahrscheinlich, dass Google abgelöst wird, weil derzeit einfach nicht vorstellbar ist, wie eine solche Suchmaschine aussehen könnte. Und so etwas wie DuckDuckGo ist mit Sicherheit eine interessante Idee, aber es hat für mich als Normalnutzer faktisch keinen Mehrwert, diese Suchmaschine zu nutzen und dafür Google zu verlassen.
Wann hast du gemerkt, dass nicht nur Leute auf dich zukommen, die das gleiche Problem haben, also wirklich die kompletten Inbounds. Sondern dass du aktiv Marketing für deine Dienstleistungen und deine Agentur betreiben möchtest? Und was sind da die Schritte, die du unternommen hast, um B2B-Marketing für eine relativ neue Branche zu etablieren?
Mir war das, glaube ich, ab Tag eins klar, dass wir nur diesen Weg gehen konnten. Weil Anfang der Nullerjahre der Markt noch komplett unsortiert war und zum Teil dubiose Taktiken existierten. Und mir war auch sofort klar, dass wir mit sehr viel Bildung und Wissen in den Markt gehen mussten und müssen, um den Kunden aufschlauen und ihm erklären zu können, worum es in der SEO geht. Natürlich mit der Hoffnung, dass er es versteht, es aber trotzdem nicht selber machen will.
Und so sind wir eben ab 2001 oder 2002 mit vielen frei verfügbaren Fachbeiträgen zum Thema nach vorne gegangen und haben direkt darüber die ersten Kunden gefunden. Insgesamt liegt mir das Redaktionelle im Blut und ich habe schon als Schüler mit 16 Jahren das erste Geld mit dem Schreiben von Artikeln verdient. Damals noch für Computermagazine. Ich denke, ich bin ganz gut darin, Themen so gut aufzubereiten, dass die potenziellen Zielkunden sie verstehen.
Was steckt für dich dahinter, dass immer noch so viele Falschinformationen die Runde machen? Du sprichst ja offen aus, dass du dir wünschst, dass mehr Leute gute Inhalte produzieren? Mittlerweile gibt es ja eine solche Unmenge an Inhalten, dass man ständig welche ausblenden muss. Also, warum ermutigst du andere Leute dazu, noch mehr Content-Marketing zu machen?
Ich glaube, ich ermutige sie eher dazu, besseres Content-Marketing zu machen. Es geht also nicht darum, um jeden Preis mehr und mehr Inhalte zu produzieren. Was mich betrifft, so ist es schon so, dass ich mein Wissen gerne teile. Aber okay, jetzt kann man natürlich sagen, dass es etwas problematisch sein kann, dabei auch andere Agenturen so aufzuschlauen, dass sie uns beim Content-Marketing Konkurrenz machen können. Ich habe allerdings diesen Konkurrenzgedanken nie so wirklich gesehen, sondern ich sehe es eher als eine Motivation für uns, dass auch wir immer besser werden müssen.
Uns ist es wichtig, unser Content-Marketing und unsere Strategien permanent auf den Prüfstand zu stellen und vor allem im Moment noch einmal komplett zu überdenken und erneut weiterzuentwickeln. Deshalb mache ich mir keine Sorgen, wenn ich mein Wissen und meine Erfahrung teile – auch weil ich nicht glaube, dass man da einfach nur eine Blaupause nimmt und loslegt. Sondern man muss das Ganze dann immer noch mit Leben füllen, und andere Wettbewerber werden das anders machen, als wir das gemacht haben. Heißt: Nur weil ich schreibe, dass Online-Magazine für uns ein guter Weg sind, schlagen andere nicht zwangsläufig den gleichen Weg ein. Sondern vielleicht sehen sie das auch ganz anders und wählen eine andere Strategie. Es entsteht dabei also nicht zwingend Konkurrenz.
Gehen wir mal auf die vielen Content-Maßnahmen ein, die du in den vergangenen Jahren begleitet hast. Was hat dir am meisten Spaß gemacht? Gibt es Dinge, die irgendwann nicht mehr funktioniert haben? Und bei welcher Maßnahme warst du am wehmütigsten, als ihr sie einstellen musstet?
Mir machen zwei Sachen momentan besonders viel Spaß: Podcasting und Vorträge auf Konferenzen. Beides kommt meinem Naturell entgegen. Allerdings muss man in der Lage sein, die oftmals sehr komplexen Themen auf die Realität der Zuhörer oder Zuschauer einzudampfen und konkrete Konsequenzen aufzuzeigen.
Was nun den zweiten Teil deiner Frage betrifft: Binnen weniger Jahre kann sich viel ändern bzw. verändern, und auch wir haben uns schon von Content-Marketing-Marken getrennt, die in der Vergangenheit mal gut funktioniert haben und die dann mit der Zeit immer schlechter performten. Sich da weiterzuentwickeln ist ein ganz normaler Prozess.
Das Traurigste war sicherlich die Trennung von unserem gedruckten suchradar-Magazin, auch weil 13 oder 14 Jahre Historie drinsteckten. Das stampft man nicht einfach so ein. Gleichwohl mussten wir erkennen, dass der Aufwand bezogen auf den Nutzen in diesem konkreten Fall auf Dauer zu hoch war und wir mit anderen Maßnahmen leichter an Leser und Zuhörer kommen.
Ja, das ist wirklich schade … Du wendest dich jetzt ja neuen Ufern zu – daher kannst du ja vielleicht einen kleinen Rückblick wagen. Meine Abschlussfrage lautet also: Was hast du in der Zeit alles erreicht und warum möchtest du jetzt was Neues machen?
Ich bin jetzt schon fast 20 Jahre mit Bloofusion unterwegs und werde dies auch weiterhin sein. Ich bleibe Geschäftsführer und Gesellschafter der Agentur, aber ich bin seit Anfang 2020 nicht mehr operativ im Tagesgeschäft tätig. Das hat verschiedene, vor allem auch private Gründe.
Wir haben allerdings – und das ist halt die gute Nachricht – über die vergangenen Jahre ein so hervorragendes Managementsystem aufgebaut, dass die Agentur auch ohne mein persönliches Mitwirken im operativen Tagesgeschäft sich hervorragend weiterentwickeln kann. Für mich bleibt somit mehr Zeit, mich auf andere, nicht-operative Themen zu fokussieren. Zum Beispiel auf Podcasts. Und dann gibt es ja auch noch unseren Weiterbildungsträger OMCampus, mit dem wir sehr viele Online-Seminare anbieten.
Vielen Dank für das spannende Gespräch, Markus! Und viel Erfolg bei deinen neuen Projekten!