Hi Malte, willkommen bei LEAP/! In den letzten Jahren hast du dir damit einen Namen gemacht, unterschiedliche Tools miteinander zu vergleichen. Sehr spannend! Wo siehst du den deutschen SEO-Tool-Markt zurzeit im Vergleich zum internationalen Tool-Markt aufgestellt?
Es gibt einige deutsche Tools, die international erfolgreich sind. Man muss die Segmente allerdings voneinander abgrenzten.
- Enterprise–Segment: Searchmetrics ist ein sehr, sehr relevanter Player –wahrscheinlich immer noch der größte in Europa. Und in den USA unter den Top 5. Allerdings gibt es mit Brightedge und Conductor US-Tools, die zwar einen geringeren Funktionsumfang haben, aber vom Umsatz her größer sind. Zusätzlich werden Tools aus Asien und Osteuropa immer relevanter; insbesondere ahrefs und SEMrush. Außer Searchmetrics sehe ich allerdings keinen deutschen Tool-Anbieter, der in den US eine größere Rolle spielt.
Wenn wir uns die derzeitigen award-winning Tools anschauen, sind es eher die aggressiver vorgehenden Tools. Sie stammen ursprünglich aus Asien oder Osteuropa und verlegen teilweise ihr Headquarter in die USA. Sie geben mehr Gas als deutsche Tool-Anbieter.
- Markt für Toolboxen: Sistrix ist Marktführer in Europa. Auch SEMrush und ahrefs nagen an diesem Segment, doch Sistrix hebt sich durch seine sehr gute Datenqualität und Zuverlässigkeit von der Konkurrenz ab. Den Sprung in die USA haben sie allerdings nicht geschafft. Ich glaube sie haben den Kontinent sogar komplett aufgegeben. Das sieht man auch recht gut an der US-Datenbank von Sistrix, die vom Umfang her einfach nicht relevant ist.
- Dann gibt es noch Crawler. Ich glaube, Audisto hat hier eine sehr gute Nische für sich gefunden, allerdings auch eher innerhalb Deutschlands und weniger außerhalb. Internationale Kollegen reden schnell vom „typical german tool set“, wenn man anfängt von Audisto zu erzählen.
Dann gibt es noch Ryte. Sie waren mal ein SEO-Tool; sind jetzt ein Website-Health-Tool (oder so), werden aber weiterhin primär von SEOs benutzt. Die langfristige Positionierung ist mehr sehr unklar. In Deutschland hatte Ryte, sicher auch wegen des populären Gründerteams, einen extrem erfolgreichen Start. International konnten sie das glaube ich nur sehr begrenzt wiederholen und sich nicht wirklich von DeepCrawl, OnCrawl, Botify, usw. differenzieren.
Ansonsten gibt es meiner Meinung nach keine international relevanten deutschen SEO-Produkte mehr. Trisolute im Google News Bereich sollte ich denke ich noch erwähnen.
Die Aufteilung ist spannend. Was sind für dich die wichtigsten Faktoren, um als Tool zu wachsen? Und was muss ein Tool deiner Meinung nach aufweisen, um national oder international Marktanteile zu erobern?
Das kommt auch wieder auf den jeweiligen Bereich an:
- Im Servicebereich gehe ich auf die Website und erwarte ein Tool, das schnell und einfach benutzbar ist. Ich sehe mir auch die Kritiken anderer Kunden an. Mit Geld ist viel Branding und Marketing möglich; doch Influencer zu gewinnen und positive Artikel zu bekommen, ist einfacher, wenn das Tool gut ist.
- Im Enterprise-Segment wird oft das Tool gekauft, das sich am besten selbst vermarktet. Auf dem amerikanischen Markt erkennt man das gut an Brightedge. Deren Software ist wirklich nicht die beste, doch sie betreiben eine sehr effektive und aggressive Sales-Meschine. Das führt dazu, dass sie Deals mit Entscheidern closen, die denken, das Brightedge die beste Software sei. Die SEOs selbst sind oft nicht so überzeugt, sind aber von der Entscheidung zu weit weg. Das ist zwar nicht sehr charmant, bringt aber schnell mehr Kunden und Umsatz.
Am Ende ist ein gutes Produkt das Wichtigste – aber es reicht nicht um erfolgreich zu sein. Ich glaube, das Problem deutscher Produkte liegt nicht in ihrer Qualität, sondern in ihrer Positionierung. Pricing und Packaging sind nicht optimal. Die Positionierung ist nicht differenziert. Dadurch nehmen die Verkäufe außerhalb Deutschlands keine Fahrt auf. Ich habe schon einige gute Tools aus Deutschland gesehen, die nie auf eine relevante Anzahl Kunden kamen und daher wieder eingestellt wurden. Es reicht nicht gute Features und eine schlaue Roadmap zu haben. Toolanbieter müssen einen Markt- und Kundenzugang haben, der sie von der Konkurrenz abhebt!
Also fehlte die Marktorientierung?
Genau. Und die Priorisierung von Positionierung und Verkauf.
Die Positionierung ist das A und O jeder Firma, die sich von der Konkurrenz absetzen möchte. Hast du bei idealo oder einem anderen Job die Erfahrung damit gemacht, eine Positionierung mitzugestalten?
Ja, habe ich. Man muss zwei Sachen unterscheiden: Einerseits gibt es Tools, die sich den Marketingspruch von Wettbewerbern anschauen und ihn kopieren. Andererseits kann man die eigenen Unternehmenswerte kennenlernen und definieren und darüber eine Positionierung finden. Man lernt das eigene Unternehmen und seine Zielgruppe kennen und entwickelt daraus ein Statement: Ich liefere den Mehrwert X für die Zielgruppe Y mithilfe des Instruments/Stils/Vorteils/Mindsets Z.
Aus Letzterem können sich Statements für einzelne Dienstleistungen oder Toolbereiche entwickeln, die für die jeweilige Zielgruppe Mehrwerte bieten. Das Ziel ist es nicht zu sagen: Unsere Keyword Ranking Tabelle ist gut, weil sie dir zeigt, wie deine Keyword Rankings aussehen. Das Ziel ist, herauszufinden, wo der Mehrwert liegt. Was habe ich als Nutzer davon? Was gewinnt mein Kunde? Wo liegen die Zeitersparnisse durch mein Tool? Das muss für unterschiedliche Ebenen beantwortet werden können. Spart mir die Keyword Rankings Tabelle vielleicht Zeit und liefert mir Informationen, von denen ich Handlungen ableiten kann? Werde ich durch kluge Filter geleitet?
Wenn man das amerikanisch angeht, muss man immer extrem auf den Purpose und Benefit gehen. Darum sagt auch quasi jedes US-Tool über sich, „Simplyfining the life of the smartest online marketers“. Dadurch wird mir allerdings nicht klar, ob ich mir gerade ein Bid-Management-Tool, einen Crawler oder vielleicht ein Amazon-Analytics-Tool ansehe. Für die Europäer ist das zu vereinfacht und generalisiert. Aber auch für den europäischen Käufer muss der Nutzen gut kommuniziert werden: Zeitersparnis, indem wir Daten filter- und sortierbar machen. Gerade deutsche Nutzer brauchen diese Hard-Facts. Diese Kommunikationsspagat bekommen viele deutsche Tools nicht hin.
Das ähnelt dem Konzept der Benefit Ladder. Doch entweder setzt man zu weit unten an oder geht völlig over the top. Du warst selbst lange für das Produkt verantwortlich und musstest viele Stakeholder vereinen. Wie hast du es hinbekommen, eine Brücke zwischen Developer (Was ist sinnvoll und gut umsetzbar?) und Nutzer (Wo liegt der große Nutzen?) zu schlagen?
Die Frage beantworte ich am besten etwas allgemeiner. Ich glaube, dass es noch viel mehr Stakeholder gibt. In einem Software Unternehmen ist es der CEO bzw. das ganze Leadership Team und natürlich auch das Sales-Team. Wenn ich ein Support-Team habe, sind die meine Stakeholder. Marketing ist ein Stakeholder. Und, ganz wichtig: man darf Nutzer und potenzielle Käufer nicht in einen gemeinsamen Topf werfen. Das können zwei verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen sein. Und hier bin ich der Meinung, dass man unterschiedliche Instrumente finden muss, um deren Bedürfnisse zu quantifizieren.
In einer idealen Welt kann man des Business Value jedes Problems und jeder Lösung berechnen. Wenn das nicht möglich ist und auch keine klare Vision vorhanden ist, wo es hingehen soll, gehe ich gerne nach einer Bauchgefühlsskala von eins bis fünf vor: Ich frage zehn Personen – interne Stakeholder oder Kunden – nach ihrem Bauchgefühl. Kunden werden ein paar Ideen vorgestellt und ich lasse sie von ihnen gewichten. Ein gewichtetes Bauchgefühl von ausreichend Experten ist dann eine Art Wisdom of Crowds Ansatz: Wenn du 100 Bauern bittest, das Gewicht einer Kuh zu schätzen und davon den Mittelwert nimmst, bist du sehr nah am exakten Ergebnis. Genauso funktioniert es, wenn man genug Kunden und Kollegen nach ihrem Bauchgefühl fragt: finde den Mittelwert. Aber dann musst du als Product Leader entscheiden. Und das kann auch mal etwas anderes als die Meinung der Masse sein! Man darf auf keinen Fall versuchen, es allen recht zu machen. Dann macht man es am Ende niemandem recht und deine Software ist überfrachtet mit mittelmäßigen Features. Die Nutzer haben eine schlechte Onboarding Experience; dein Support-Team hat Probleme, da sie 500 Features bearbeiten, die sich teilweise noch überlappen und dein Marketing-Team muss alles vermarkten.
Es gibt also Entscheidungen, bei denen man abwägen muss, ob es sinnvoll ist, die Ideen weiterzuverfolgen oder nicht. Tesla könnte zum Beispiel einen Verbrenner bauen, den einige Leute kaufen würden; doch insgesamt schwächt es die Marke. Auch gibt es Gründe dafür, dass Mercedes ihre allergünstigen Autos nicht als Mercedes, sondern als Smart verkauft.
Anfangs hast du neue Tools erwähnt, die viele Awards gewinnen. Wie stehst du allgemein zu Awards im Online-Marketing? Nicht nur für Tools, sondern auch für die beste Agentur, das beste In-House-Team etc.? Hältst du die Awards für repräsentativ?
Ja, ich glaube schon, dass Jurys gute und faire Entscheidungen treffen. Man muss aber auch bedenken, dass nur die Unternehmen und Tools berücksichtigt werden, die sich bewerben. Viele Tools und Anbieter nehmen also gar nicht an der Verleihung teil. Außerdem muss man wissen, dass nie ein Team oder Tool selbst bewertet wird, sondern eher die Präsentation desselben bei der Award-Bewerbung. Das heißt, wenn du eine geile Power Point oder ein geiles Video vorbereitest, interne KPIs teilst und ein besonders erfolgreiches Feature vorstellst, steigt die Gewinnchance.
Beim einem Award habe ich mich mit einigen Judges unterhalten, nachdem Searchmetrics nicht gewonnen hatte. Die Jurymitglieder haben mir tatsächlich gesagt, dass Searchmetrics zwar nicht den Tool-Award gewonnen hat, aber von der Jury für das Vergleichen verschiedener Content Marketing Kampagnen genutzt wurde – weil sie den Daten mehr vertraut haben als anderen Tools. Es lag einfach daran, dass andere Tools, die eigentlich weniger zuverlässig sind, neuere Feature präsentierten und darüber sehr positiv gesprochen haben. Also: Wenn ein Award verliehen wird, ist das entsprechende Tool nicht automatisch auch das beste. Es war nur das am besten zur Schau gestellte.
Findest du das fragwürdig?
Für mich wird die Verleihung eines Awards dann fragwürdig, wenn zum Beispiel 12 von 13 Jury-Mitglieder aus derselben Stadt kommen oder teilweise einem teilnehmenden Unternehmen angehören. In Deutschland gab es mal einen solchen Fall, doch da hat der Veranstalter selbst eingesehen, dass die Jury breiter aufgestellt werden muss.
Aber grundsätzlich finde ich Awards legitim.
Daran anknüpfend interessiert mich, was du über Zertifizierungen und Klassifizierungen denkst. Gerade unter den Agenturen verstecken sich noch immer einige schwarze Schafe. Doch es gibt Unternehmen, die keine Zertifizierungen platzieren möchten, um der Konkurrenz keine Hinweise auf z. B. Arbeitsweisen zu geben. Fallen dir Methoden ein, wie man schwarze Schafe in der Branche erkennen kann?
Bei dem Thema Zertifizierungen fangen zwei Herzen an, in meiner Brust zu schlagen. Zum einen weiß ich, dass viele Menschen mit Herzblut daran arbeiten, in Gremien und Ausschüssen des BVDW (Bundesverband digitale Wirtschaft e. V.) zu arbeiten und ihre Freizeit opfern und sicherstellen, dass schwarze Schafe kein Zertifikat erhalten. Ich finde es toll, dass sich hier so viele Menschen engagieren und die Zertifizierungen ernst nehmen.
Es gibt noch diverse weitere Zertifizierungen von allen möglichen Tools. Hier ist sicherlich das Google Analytics Zertifikat das relevanteste. Aber auch Ryte, SISTRIX oder Searchmetrics haben oder hatten Zertifikate, die zeigen, dass man mit dem Tool umgehen kann.
Ich bin aber auch davon überzeugt, dass es seriöse Agenturen gibt, die sich nicht mit diversen Zertifizierungen schmücken. Das finde ich auch legitim, denn wenn mein Unternehmen etwas Einzigartiges macht, möchte ich keinem Ausschuss meine Tricks und Kunden offenlegen. Außerdem gibt es auch Agenturen, die in UK sitzen, einen tollen Job in Deutschland machen, aber keine Ahnung von der Existenz des BVDW haben.
Zertifikate und Siegel sind also nicht alles. Ich persönliche achte auch immer auf Empfehlungen. Wenn Kunden öffentlich Testimonials für eine Agentur geben, kann ich sie anrufen und direkt nachfragen, wie die Erfahrungen mit der Zusammenarbeit sind. Aber eine Sache, die ich gelernt habe, ist, dass es eigentlich keine 100%ig guten Agenturen gibt. Es gibt Agenturen, die für eine bestimmte Zielgruppe optimal sind. Sie arbeiten mit SEO-Experten und haben glückliche Mitarbeiter. Die Arbeitskultur ist toll und auch die Kunden sind happy. Doch es wird immer einen oder zwei Kunden geben, die nicht zufrieden sind. Es wird immer passieren, dass ein gewisser Prozentsatz mit der Kunden-Agentur-Beziehung unzufrieden ist. Das Gefühl kann dabei sowohl auf Kunden- als auch Agenturseite entstehen.
Es gibt Agenturen, die würde ich befreundeten Geschäftsführern und CMOs als Dienstleister empfehlen. Ich würde aber nie meinen Freunden empfehlen, dort zu arbeiten. Und den umgekehrten Fall gibt es auch. Und beim Kauf von Agenturen sehen meine Empfehlungen nochmal anders aus.
Daher finde ich die Label gute vs. schlechte Agentur schwierig. Es gibt immer drei Sichtweisen: die des Kunden, die der Agentur und ggf. die des Investors.
Das ist eine gute Überleitung. In letzter Zeit häufen sich in unserer Branche mal wieder die Investments und Exits. Entwickelt sich unsere Branche gerade so, dass große Konglomerate entstehen – oder glaubst du, es werden einfach neue, kleine Anbieter nachwachsen?
Da muss man zwischen Agenturen und Softwares unterscheiden.
- Bei Marketing-Agenturen war es schon immer so, dass es alle paar Jahre ein neues, hippes Unternehmen gibt, das alle Awards abräumt und in dem jeder arbeiten möchte. Die Leute machen einen guten Job und befruchten ihre Kreativität gegenseitig. Doch irgendwann erreicht jede Agentur eine Größe, wo es nicht mehr so ist, dass jeder jedem Inspiration schenken kann. Nach zehn Jahren gibt es dann den Exit und die Gründer gehen. So ein hippes, kreatives Agentur-Start-up kann man nicht unendlich skalieren. Andersrum gibt es noch die Möglichkeit, eine Agentur Stück für Stück an die Mitarbeiter zu verkaufen. Doch der Standard ist eher, dass man ab einem gewissen Punkt in ein Agenturnetzwerk eintritt, um so das nächste Level an Enterprise-Kunden zu erreichen. Hier kann man in Zusammenarbeit mit anderen Agenturen aus dem gleichen Netzwerk Dienstleistungen anbieten, für die man deutlich höhere Beiträge nehmen kann als noch als kleine Einzelagentur. Das war schon immer so – schon vor 10 Jahre wurden SEO-Agenturen gegründet und wieder verkauft. Das gibt es einfach immer mal wieder.
- Und bei Softwares ist es einfach so, dass es ein extrem fragmentierter Markt ist. Es gibt viele Tools, die von sich behaupten können, Marktführer in einem bestimmten Bereich zu sein. Gerade bei SaaS-Modellen ist es so, dass die Kosten pro Nutzer immer weiter sinken, je mehr Nutzer hinzukommen. Das heißt, diese ganzen SaaS-Geschäftsmodelle funktionieren eigentlich nur dann, wenn der Anbieter wirklich groß werden kann. Und da wird es sicherlich noch weitere Konsolidierungen geben. Abgesehen von SEOlytics, STAT und Linkdex, gab es noch gar nicht so viel Konsolidierung, wie eigentlich angebracht wäre.
Doch das große Problem bei SEO-Tools ist, dass die niemand kaufen kann. Normalerweise, wenn du ein Online-Marketing-Tool aufbaust und du groß genug bist, können dich Adobe, Microsoft, Salesforce oder Oracle übernehmen und in ihre Marketing Cloud aufnehmen. Das geht bei SEO-Tools allerdings nicht, weil Google dann anruft und sagt: Lass mal den Mist mit dem SERP-Scraping, ansonsten stellen wir dir deine Ads API ab. Das hat z. B. bei den Raven Tools zu einem krassen (von Google erzwungenen) Pivot geführt. Und auch Adobe hat das schon zu spüren bekommen und SEO-Features wieder ausgebaut. Deshalb sehe ich für die Exitstrategien von SEO-Tool eher schwarz. SEMrush ist an die Börse gegangen; aber so groß muss man erstmal werden.
Okay, danke. Möchtest du uns zum Abschluss eine kleine Review deiner gefühlten 100 Jahre als SEO geben? Sagen wir mal: Was waren die zwei oder drei größten Veränderungen während dieser Zeit und was wirst du am meisten vermissen?
Lustigerweise habe ich meinem Team erst letztens einen Vortrag über die verrücktesten Ereignisse meiner 18 Jahre als SEO gehalten. Ich könnte dir jetzt also eine sehr lange Antwort geben
Dann leg mal los.
Das hat mit 12 oder 14 Jahren angefangen, als ich meine erste Website mit einem kostenlosen T-Online-Webspace gebaut habe. Außer mir hat wahrscheinlich nie jemand diese Website gesehen – das hoffe ich zumindest. Irgendwann habe ich mich ein wenig mit Webhosting, PhP und SQL beschäftigt. Damit habe ich es dann geschafft, ein Internetforum auf einem Webspace zu installieren, den ich mir gemietet hatte. Darüber habe ich mit meinen Freunden gequatscht. Ich habe angefangen, an dem System herumzubasteln, nach Plug-ins gesucht und so weiter. Irgendwann hat sich tatsächlich jemand im Internetforum angemeldet, dem ich gar nicht die Adresse gegeben hatte und der nicht zu meinem Freundeskreis gehörte. Es hatte sich herausgestellt, dass er mein Forum durch die Google-Suche gefunden hatte. Da war ich schon perplex, dass meine Website gecrawlt und auch bei Google gefunden wird.
Ab dem Moment habe ich mich damit beschäftigt, wie ich noch mehr Leute auf mein Forum aufmerksam machen kann. Irgendwann kam der nächste Schritt der Monetarisierung ins Spiel. Ich habe mich in einigen Werbenetzwerken angemeldet. Im Forum wurde bis dato quasi nur über Partys und Wochenendpläne gesprochen, aber ich habe schnell gemerkt, dass Werbeanzeigen, die neben Partyfotos stehen, nicht so viel Geld einbringen. Daraufhin habe ich eine Seite über Ferienwohnungen angelegt, die 100 Mal so viel wie der Rest der Seite eingebrachte. Also habe ich dazu eine ganz eigene Website aufgebaut – dann die nächste und die nächste und die nächste. Am Ende hatte ich ca. 50 kleine Websites mit ziemlich schrottigen Inhalten, die mir mein Taschengeld und später den Zivi-Lohn aufgebessert haben.
Um die Zeit zwischen Zivildienst und Studium zu überbrücken, habe ich ein Praktikum bei Artaxo gemacht. Als erste Amtshandlung habe ich anderen Praktikanten erklärt, wie man Backlinks bewertet. Gemeinsam mit einem anderen Mitarbeiter habe ich einen SEO-Blog gestartet. Innerhalb dieser drei Monate im Praktikum haben wir einen Award gewonnen, damals von Marcus Tandler und Fridaynite, für den besten deutschen SEO-Blog. Damals gab es noch SEOigg, diese Social Bookmarking Seite, wo wir stetig die Top drei dominiert haben. Ich habe jeden Tag fünf Artikel auf dem Blog veröffentlicht.
Parallel zu meinem Informatikstudium habe ich schließlich weiter an meinen Websites gearbeitet und bin so immer weiter in SEO reingerutscht. Während des Studiums habe ich dann die SEO Factory GmbH mitgegründet.
Achso, eigentlich sollte ich über die größten Änderungen sprechen. Als ich mit SEO angefangen habe, gab es noch gar keine genauen Definitionen, was SEO eigentlich ist. Man konnte das nicht studieren, es gab keine Zertifikate oder Ähnliches. Also habe ich es hobbymäßig gemacht. Wenn man sich zu einer Konferenz angemeldet hatte, war es zu 30 % ein Stammtisch, an dem man gemeinsam Bier getrunken hat. Wir waren alle Quereinsteiger und viele verrückte Leute auf einem Haufen, die einfach meinten: Das klingt spannend, ich mache das mal. Heute ist das viel professioneller geworden. Ich habe bei idealo zum ersten Mal eine Person eingestellt, die SEO tatsächlich studiert hat. Jetzt gibt es Zertifikate, Verbände, Konferenzen und Awardshows. Es gibt Print Magazine über SEO. Die größte Veränderung ist, wie ein Haufen Verrückter zu einer erwachsenen Szene geworden ist.
Das finde ich cool. Endlich mal einer, der nicht nur über Penguin und die anderen Updates von Google spricht.
Das sind ja kleine Trivialitäten gewesen. Wobei ich auch ehrlich zugeben muss, dass Panda einige meiner Websites gekillt hat.
Kann ich mir vorstellen. Wirst du SEO-Konferenzen weiterhin erhalten bleiben oder wirst du dich jetzt komplett auf etwas Neues fokussieren?
Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Das wird sich zeigen. Aktuell habe ich noch keinen festen Plan. Grundsätzlich habe ich aber gemerkt, dass der Wert von SEO-Konferenzen für mich gesunken ist. Als ich Anfang 20 war, waren die Reisen ganz cool. Und dass Leute nach meinen Vorträgen zu mir kamen und mir gesagt haben, dass sie den Vortrag gut fanden – das war der Hammer! Wenn man hin und wieder noch einen Award mit nach Hause bringt, ist das auch ganz schön fürs Ego. Aber ehrlich gesagt, je länger ich in der Branche bin, desto geringer wird für mich der Mehrwert solcher SEO-Konferenzen. Ich finde es immer wieder spannend, mir andere Vorträge anzuhören und Reminder zu bekommen, mit was ich mich allem auch mal auseinandersetzen wollte. Aber gerade durch das Homeoffice im Lockdown habe ich gelernt, dass ich mein Wissen auch von meinem Wohnzimmer aus teilen kann. In ein Webinar muss ich nur eine Stunde investieren; statt vorher 2 Tage für eine Konferenz.
Ja, das habe ich auch gemerkt. Danke für deine Zeit und geteilten Erfahrungen, Malte!