„Ich bin ein absoluter Dialog- und Beziehungsmensch“ – Johannes Ceh im Interview - LEAP/
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„Ich bin ein absoluter Dialog- und Beziehungsmensch“ – Johannes Ceh im Interview

Johannes Ceh spricht im Interview über New Work, das „Zeitalter der Kunden“ und die veränderte Kommunikation in und um Unternehmen.

by Oliver Engelbrecht
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Über Johannes Ceh

Johannes Ceh ist Digitalberater und Autor. Sein Fokus ist die Innovation in Unternehmen und die Unterstützung dieser Firmen beim digitalen Wandel. Besonders wichtig ist ihm, menschenorientiert zu arbeiten. Außerdem ist Johannes Host des Podcast „Our Job To Be Done“.

Hallo, Johannes und willkommen bei LEAP/! Du kommst als Digitalberater ja vor allem über die menschliche Ebene. Wie bist du darauf gekommen, dass genau das der Hebel ist, mit dem man viel erreichen kann?

Ja, das hat sicherlich mit meiner persönlichen Grundausrichtung zu tun. Ich bin ein absoluter Dialog- und Beziehungsmensch. Das wurde mir in die Wiege gelegt und ich habe deshalb auch als Journalist angefangen.

Da interessierten mich im Sport zum Beispiel weniger die harten Fakten und Ergebnisse, sondern eher die emotionalen Zustände im Hintergrund: Wie kämpfe ich mich nach einer Verletzung zurück oder motiviere mich nach einem Abstieg wieder neu? Auf dieser Ebene kann man sich viel tiefgründiger mit den Menschen auseinandersetzen.

Dieser Ansatz aus meiner Zeit als Journalist hat sich dann, als ich nach der Kirch-Krise als Berater in Unternehmen gegangen bin, fortgesetzt. Hier steht dann halt die Beziehung zum Kunden im Vordergrund. Welche Dialog- und Interaktionsmöglichkeiten hat beispielsweise BMW, um mit seinen Kunden und Interessenten zu kommunizieren? Wie möchte der Kunde angesprochen werden? Wie schafft man es, dass beide Seiten in Interaktion miteinander treten? Diese Fragen stelle ich mir.

Hast du neben dem Journalismus noch andere Einflüsse, die deine Arbeitsweise bestimmen?

Ich habe mal Arbeits- und Organisationspsychologie studiert, weil mein Vater in dem Bereich schreibt und es mich auch sehr interessiert. Ich habe dann erst später gemerkt, dass im Endeffekt all diese Sachen – also Innovation, Zusammenarbeit, Kollaboration und Change – heute unter dem Titel „New Work“ laufen. Daraus hat sich für mich mit der Zeit herauskristallisiert, dass ich mit Menschen Inhalte erstellen möchte, die andere Menschen interessieren und ihnen helfen. Nach außen gerichtet für Kunden, aber auch nach innen für die Kolleginnen und Kollegen.

Mich haben immer zwei Grundfragen beschäftigt: Wie arbeiten wir zusammen? Und was kommt dabei konkret raus? Meine Aufgabe ist immer, den Plan und die Ziele zu definieren. Und zu hinterfragen, wem es eigentlich hilft, wenn wir diese Ziele erreichen. Dabei geht es mir nicht nur um die Geschäftsführer, sondern auch um die Leute im „Maschinenraum“. Denn die ganze Organisation soll sich verbessern.

Das macht Sinn. Du sagst ja selbst, dass du schon ziemlich lange an diesem Thema dran bist. Kannst du beschreiben, wie sich die Ansprüche der Menschen an die Kommunikation in dieser Zeit verändert haben? Konsumenten oder Mitarbeiter wollen ja mittlerweile ganz anders angesprochen werden als noch vor 15 oder 20 Jahren.

Ja, total. Ich kann das mal exemplarisch festmachen. Mein erstes Projekt auf Unternehmensseite war die BMW-Welt. Das ist wie die Autostadt, also eine Niederlassung der Zukunft gemischt mit einem Erlebnispark und Museum.

Das wurde auf die grüne Wiese gebaut, und alle waren begeistert: die Besucher, die Mitarbeiter und die Leute, die ihre Autos da abholen. Aber keiner konnte die BWM-Welt zuordnen. Was ist das und wo gehört sie im Unternehmen eigentlich hin?

Hier sieht man schon den ersten Wandel. Denn in der Nachkriegszeit ging es erst einmal nur darum, dass starke Produkte und starke Firmen unsere Existenz sichern. Damals baute man also ein gutes Auto und wusste, dass die richtigen Leute das schon kaufen würden.

Mit den Jahren wurden die Produkte dann immer stärker vernetzt und sind so auch immer näher an die Menschen herangerückt. Daraus folgen Fragen der Distribution, der USPs und der Kommunikation.

Nach dem Krieg wäre niemand auf die Idee gekommen, eine solche Erlebniswelt auf die grüne Wiese zu setzen. Später war das aber etwas, mit dem man Leute gut abholen konnte.

Und heutzutage interessieren sich Menschen für Produkte und reflektieren ganz automatisch: Wie nutzt mir das im Job oder im Privaten? So steigt ihr Anspruch daran, wie ihnen Unternehmen begegnen sollen. Gerade bei jungen Menschen wird ein Unternehmen wie eine Person mit Lob oder Kritik angesprochen, und es wird erwartet, dass von der anderen Seite auch so kommuniziert wird. Deswegen ist es heute auch normal, mit Tools wie Alexa zu sprechen.

Wir sind in einem Zeitalter, das manche als „Zeitalter des Kunden“ bezeichnen. Und Unternehmen müssen die Geschwindigkeit meistern, in der sich die damit einhergehenden Herausforderungen ändern.

Oft stellt sich dann auch die Frage, wer kommunizieren soll. Ein Dieter Zetsche zum Beispiel wurde auf LinkedIn oder ähnlichen Plattformen immer als erstes Gesicht seiner Firma wahrgenommen. Aber ist Kommunikation wirklich Chefsache oder sollte sie auf mehrere Schultern verteilt werden?

Im Idealfall sollten sowohl der Chef als auch die Angestellten einen Teil übernehmen. Großartig ist natürlich, wenn sich das ganze Unternehmen nach außen zeigt und jeder ein Repräsentant ist. Das ist im angelsächsischen Raum auch schon viel weiter verbreitet als bei uns.

Die Regel sollte sein: Wenn es dir Freude bereitet, für ein Unternehmen zu arbeiten, dann solltest du auch keine Scheu haben, das zu zeigen. Natürlich gibt es gewisse Richtlinien, die eine Rechtsabteilung und die PR-Abteilung vorgeben. Aber das ist das Grundprinzip.

Jemand wie Zetsche, der das so offensiv vorlebt, beeinflusst damit natürlich auch seine Mitarbeiter. Dadurch, dass er bewusst eine persönliche Note reingebracht hat, ist das viel wertvoller, als wenn er nur Pressetexte teilen würde. Das hat auch nach innen eine ganz starke Funktion und kann dabei helfen, ein Unternehmen zu transformieren.

Es bringt nämlich nichts, die Leute zum Teilen von Firmeninhalten zu zwingen. Aber ihnen zu zeigen, wo man hinwill und wie man das gemeinsam erreichen kann, kann einen wirklich großen Shift erzeugen und das Auftreten der ganzen Firma verändern.

Hast du Tipps, wie man Leute dazu bringen kann, wirklich motiviert und auch aus sich selbst heraus für ein Unternehmen zu sprechen? Es gibt ja viele positive Vorbilder, in Deutschland zum Beispiel Magdalena Rogl von Microsoft, denen man die Begeisterung für ihre Arbeitgeber echt abnimmt.

Ja, berechtigte Frage. Also Magdalena ist natürlich ein super Beispiel. Gleichzeitig ist es auch so, dass es bei Microsoft zum Beispiel sehr klare Regeln gibt, wer so etwas machen darf.

Es hilft immer, Leute zu definieren, die als eine Art Eisbrecher fungieren und das Ganze vorleben. Das zweite Standbein ist die interne Kommunikation. Man muss also den damit verbundenen Dialog intensivieren und schon im Vorfeld darüber sprechen, was man eigentlich gemeinsam nach außen kommunizieren will. Da hilft es auch, den Schritt in die Tiefe gemeinsam zu gehen und zusammen herauszufinden, wo man hinwill.

So lässt sich eine Roadmap erstellen, in der am Anfang nur einige Leute ganz stark in der Außenwahrnehmung auftreten. Sie sind dann erstmal die Fenster nach außen, und man kann sich überlegen, was man über welches Fenster an die Außenwelt rausgibt. Dann versteht auch jeder, warum diese Personen das machen und dass sie sich am Anfang auch noch ausprobieren dürfen.

Gerade dieses Ausprobieren und das Sammeln von Feedback dürfte ja auch wichtig sein, um die „Stimme“ des Unternehmens zu finden?

Genau. Das kann man dann Innovation-Lead-mäßig aufziehen: Die Leute experimentieren, bekommen Feedback, und so wird das Ganze ein schrittweiser Prozess, in dem die Strahlkraft nach außen schrittweise zunimmt. Es werden immer mehr Leute, und die einzelnen Personen steigern ihre Reichweite. So wachsen sie auch in das Verantwortungsbewusstsein rein und hinterfragen ihre Wirkung.

Damit das funktioniert, muss es aber eben auch vorgelebt werden. Nur dann entsteht diese wunderbare Wechselwirkung zwischen dem Innen und dem Außen. Dann wird es mehr als nur PR. Dann erzeugt es eine Strahlkraft nach außen und eine Innovationskraft nach innen.

So wie ich das verstehe, ist dein neuer Podcast „Our Job To Be Done“ ja auch so eine Art Regenschirm, der diese ganzen Themen zusammenbringen will. Magst du uns erzählen, warum du den gestartet hast und was du damit erreichen willst?

Ja, gerne. Der Podcast ist tatsächlich ein Abbild meiner Arbeit. Es geht immer darum, den Blickwinkel zu erweitern, wenn Situationen sich ändern, und die Frage zu stellen: Wo wollen wir hin bzw. was ist das ganz große Ziel?

Dafür finde ich das Podcast-Format sehr schön. Wenn ich mich bewusst dafür entscheide, etwas anzuhören, kann daraus im Endeffekt wieder ein Dialog entstehen. Gerade bei uns, weil wir die Aufnahmen immer live vor einem Publikum machen. In schnellen Zeiten wie heute hängt zudem viel von unserem Blickwinkel und der Wahl unserer Gesprächspartner ab. Nur, wenn wir konstruktiv mit den Herausforderungen umgehen und mit anderen sprechen, werden wir wirklich weiterkommen.

Deswegen ist der Podcast auch ein Stück weit mein gesellschaftliches Engagement. Ich möchte mich einbringen und von meinen Gästen, die ich gezielt anschreibe und aussuche, lernen. Das stößt auf gute Resonanz und führt zu vielen großartigen, positiven Gesprächen. Mir ist nämlich wichtig, dass wir uns Dinge genau ansehen, anstatt in oberflächliches Bashing zu verfallen. Das ist nämlich gar nicht konstruktiv, sondern nur negativ. Das Projekt ist eine echte Herzensangelegenheit von mir.

Das merkt man total! Was sind denn die zentralen Themen, die du im Podcast aufgreifen und weiterentwickeln möchtest? Beziehungsweise: Was möchtest du erreichen?

Es geht nicht darum, auf einer großen Bühne zu stehen. Sondern darum, in diesen Mini-Events einen ehrlichen Dialog mit den Gästen und dem Publikum zu schaffen. Ich würde mich auch freuen, wenn ich den Podcast noch internationaler aufziehen könnte, um diesen internationalen Austausch, der uns in Deutschland oft noch fehlt, zu verstärken.

Ich will damit nicht sagen, dass der deutsche Blickwinkel schlecht oder falsch ist. Aber ich persönlich habe sehr davon profitiert, im Ausland gelebt und andere Denkweisen kennengelernt zu haben.

Ich hätte auch nichts dagegen, den Podcast gemeinsam mit Partnern zu machen. Ich bin resonanzgetrieben und das würde mit den richtigen Partnern sicherlich spannend sein. Dann, wenn sie offen sind und ihre Erfahrungen teilen wollen.

Das hört sich so an, als wäre der Podcast nur das aktuelle Vehikel, um die Themen zu bespielen. Du scheinst da aber allgemein mehr zu planen?

Wichtig ist mir, dass der Podcast mehr ist als die reine Audiospur. Sei es als Mini-Event oder als Katalysator für Diskussionen. Und um das zu realisieren plane ich, auch einen kleinen Audioverlag aufzubauen. Da helfen natürlich Partner, die nicht nur konstruktiv Inhalte liefern, sondern auch bei der Distribution mitmachen können.

Ich sehe, dass sich das Thema sehr gut entwickelt, und glaube, dass das neben meiner Beratertätigkeit meine Hauptaufgabe sein wird.

Hört sich sehr spannend an! Zum Abschluss bitte ich dich noch um einen Blick in die Glaskugel. Was glaubst du, wie sich die Kommunikation zwischen Konsumenten, Mitarbeitern und dem Unternehmen als Ganzes verändern wird? Welche Trends werden die großen Leitlinien werden, an denen wir uns orientieren sollten?

Es ist letztlich so, dass es einfach große qualitative Unterschiede bei Angeboten, Produkten und Dienstleistungen gibt. Das hat auch wieder was damit zu tun, dass manche einfach tiefer gehen als andere. Am Ende steht die Frage, welchen Mehrwert ich durch ein Tool, eine Funktion oder eine Schnittstelle bekomme. Nur wenn ich die positiv beantworten kann, werde ich mich weiter damit auseinandersetzen.

Und es gibt große Themen, mit denen Menschen oder Unternehmen sich einfach schwertun. Alle wollen immer möglichst viele neue Kunden gewinnen. Aber wenn man einmal Kunde ist, ist man plötzlich so ein bisschen egal. So sind viele Geschäftsmodelle gestrickt.

Das muss aber überhaupt gar nicht sein. Es gibt auch Beispiele, wie das anders gehen kann, indem man den Kunden ernst nimmt und wertschätzt. So kann man eine ganzheitliche Beziehung zu ihm aufbauen. Und ihm das Leben einfacher machen. Denn wenn Unternehmen auf Kundenfeedback hören, können sie ihre Prozesse verbessern und dafür sorgen, dass Kunden eben nicht mehr 20 Formulare ausfüllen müssen oder ähnlich.

Die Menschen merken sich das. Wenn ihnen jemand das Leben einfacher und angenehmer macht, dann werden sie das belohnen. Kundenservice muss also weitergedacht werden als bisher und die neuen Möglichkeiten der Kommunikation nutzen. Und zwar ernsthaft, um zu helfen und den besagten Mehrwert zu schaffen – und nicht nur, um noch mehr zu verkaufen.

Es wird wirklich spannend, zu sehen, wie die Unternehmen mit diesen ganzen neuen Möglichkeiten umgehen werden. Und wie wir, als Verbraucher, darauf reagieren werden. Das ist für mich eine der großen Fragen der nächsten Jahre.

Da gibt es wirklich viele Chancen für Unternehmen, um ihre Kunden ganz anders anzusprechen. Danke für die Einblicke in deine Arbeit und viel Erfolg mit dem Podcast!

This post was written by

Oliver Engelbrecht

Ich bin bei LEAP/ für Marketing & Communications zuständig und verantworte damit die Lead-Generierung und das Branding der Agentur. Zudem leite ich unser LEAP/ Magazin als Chefredakteur. Zuvor habe ich das SEO-Portal aufgebaut und geleitet.