„Wenn man ein Thema wirklich verstehen will, ist Aufwand und Recherche gefragt.” - Jan Tißler im Interview - LEAP/
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„Wenn man ein Thema wirklich verstehen will, ist Aufwand und Recherche gefragt.” – Jan Tißler im Interview

Jan Tißler spricht im Interview über Content Marketing, Journalismus und Weiterbildungen im (Online-) Marketing.

by Oliver Engelbrecht
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Über Jan Tißler

Jan Tißler, gebürtiger Hamburger, lebt in Santa Fe in den USA und ist dort als Online-Journalist tätig. Er ist begeisterter Content-Marketer für seine eigene Projekte und auch für Unternehmen. Außerdem ist er Gründer und Mitherausgeber des Upload-Magazins.

Hi Jan, willkommen bei LEAP/! Man sieht es relativ oft bei uns in der Branche, dass Menschen aus der schreibenden Zunft ins Content-Marketing rutschen und dann zu Online-Marketern werden. Wie ist es bei dir dazu gekommen?

Ich bin 1999 Online-Redakteur geworden. Das war direkt nach meinem Volontariat, in dem ich ab 1997 meine ersten Begegnungen mit dem Internet hatte. Das weiß ich deshalb so genau, weil damals der erste Mars-Rover gelandet ist. Ich war ganz fasziniert davon, dass ich auf die NASA-Website gehen und mir Bilder und Texte dazu anschauen konnte. Ich musste nicht darauf warten, dass eine Zeitung oder ein Magazin darüber schreibt oder ein Journalist auswählt, welche Fotos er interessant findet. Das war ein spannendes neues Feld und dort habe ich meine Zukunft gesehen. Es gab wenige Leute, die sich damit auskannten und die Wachstumschancen waren so viel größer als im Lokaljournalismus.

Ich habe dann eine ganze Weile für verschiedene Magazine gearbeitet, unter anderem als Redaktionsleiter Online für t3n. Erst danach habe ich angefangen, Content-Marketing zu vertiefen und für Unternehmen zu arbeiten.

Als Marketing-Mensch sehe ich mich aber nicht unbedingt. Content-Marketing ist für mich vielmehr der Beginn der Customer Journey. Menschen stellen fest, dass sie einen Bedarf haben und wollen sich über Möglichkeiten und Lösungen informieren. Es geht also nicht in erster Linie um den Verkauf, sondern um die Information. Klar ist das nicht unbedingt journalistisch, aber es ist eine andere Seite der Medaille – im Endeffekt geht es bei beiden Fachrichtungen um gut verständliche und informative Inhalte. 

Du hast es gerade schon anklingen lassen: Content-Marketing ist eines der großen Buzzwords der letzten Jahre – aber es ist eigentlich gar nichts neues. Vielmehr ist es eine Adaption von Dingen, die man vorher auch schon offline in Zeitschriften, Zeitungen, Filmen und anderen Kanälen gemacht hat. Wo siehst du die großen Vorteile und Nachteile des digitalen Content-Marketing gegenüber dem offline Content-Marketing?

Wenn du mich zu den Vorteilen fragst, dann hast du natürlich online zum einen potenziell eine enorme Reichweite. Darauf komme ich gleich bei den Nachteilen noch mal.  Außerdem hast du den Vorteil, dass du über Online-Marketing-Maßnahmen wie SEO, Social und Ads relativ gut beeinflussen kannst, wen du mit deinen Inhalten erreichst.

Der große Nachteil ist, dass du diese große theoretische Reichweite in der Praxis selten erreichen kannst. Gerade in Zeiten, in denen so viele Unternehmen ihre eigenen Inhalte produzieren und miteinander konkurrieren. Bei umkämpften Begriffen ist es also nicht ganz einfach, auch tatsächlich bei der Zielgruppe anzukommen.

Dazu kommt das Problem, dass interessierte Laien sehr schwer zwischen guten und schlechten Inhalten unterscheiden können. Wie gehst du bei privaten oder beruflichen Recherchen vor, um die Spreu vom Weizen zu trennen?

Mit der Zeit entwickelt man ein gewisses Gefühl für die Qualität von Inhalten. Gerade, wenn man sich den Rest der Website einmal anschaut und die Qualifikation der Betreiber hinterfragt. 

Wir als Menschen stehen vor derselben Herausforderung wie Google, das als Maschine die wirkliche Qualität immer noch nicht automatisch beurteilen kann. Da braucht die Suchmaschine auch heute noch die Quality Rater als Unterstützung, um wichtige Punkte zu beurteilen:

  • Wird der Name der Autorin und des Autoren genannt?
  • Ist diese Person bekannt und hat eine Qualifikation in diesem Themenbereich? 
  • Welches Unternehmen steht hinter dieser Seite? 
  • Wer betreibt diese Seiten? 
  • Wie glaubwürdig sieht die Seite aus? 

Es gibt bestimmt Seiten, die ich dir zeigen könnte und du würdest die Website nicht ernstnehmen, weil sie vollkommen zugekleistert ist mit Werbung. Wenn sie dann einen  sensationell aufbereiteten Artikel hat, bist du dir unsicher, ob das alles so stimmt. Es gibt eine ganze Reihe von Kriterien, die man sich da angucken kann. Aber 100%ig wirst du das natürlich nie wissen und als Journalist habe ich gelernt, dass du dich nicht auf nur eine Quelle verlässt. Das Problem ist heutzutage natürlich, dass du nie weißt, wer eine unabhängige zweite Quelle ist. Wenn du einfach eine neue Website zur selben Fragestellung anguckst, dann weißt du nie, ob nicht die eine einfach bei der anderen abgeschrieben hat, ohne das selber überhaupt zu überprüfen. 

Wenn man ein Thema wirklich verstehen will, ist also Aufwand und Recherche gefragt.

Das sollte wirklich immer die Regel sein. Nun bist du mit deinem Kollegen Falk Hedemann seit vielen Jahren daran beteiligt, das Content-Marketing in Deutschland voranzubringen und zu begleiten. War das Verbessern von Inhalten durch Hilfestellungen auch von Beginn  an euer Ziel mit dem Upload Magazin?

Upload selber hat für mich eine relativ lange, bewegte Geschichte und ist durch verschiedene Versionen und Iterationen gegangen. Wir haben auch inhaltlich viele unterschiedliche Themen ausprobiert.

Aktuell führen wir es wieder zurück zu den Themen, mit denen wir uns persönlich auskennen und an denen auch unser eigenes Herz hängt. Gute Inhalte sind etwas, was sowohl Falk als auch ich eben sehr gerne mögen und an dem wir sehr gerne arbeiten. 

Wir haben dort ein Magazin, das mit monatlichen Ausgaben und vier bis fünf ausführlichen Beiträgen erscheint. Wir haben eBooks und Online-Kurse veröffentlicht. Woran wir aktuell arbeiten, ist die Struktur. Wir wollen die Antworten auf die großen Fragen bereitstellen, wenn jemand sein Content-Marketing verbessern will:

  • Was muss ich können? 
  • Was muss ich wissen? 
  • Welche Stellschrauben habe ich? 

Dazu findest du sicherlich bei uns und auch an anderen Stellen im Internet Informationen, aber du musst sie dir selbst zusammenpuzzlen. Unser Ziel ist ein Lehrplan, der aufeinander aufbaut und das Thema Content-Marketing von A-Z erklärt. Deshalb haben wir gerade die Content Academy gestartet. Damit wollen wir das leisten, was du auch in der Frage ansprichst.

Ich habe im letzten Jahr auch eine digitale Weiterbildung gemacht, die ebenfalls an eine Zeitschrift angekoppelt ist. Den Mini MBA von der MarketingWeek. Das war ganz große Klasse. Wie du eben sagst: Alle Informationen an einem Ort und aufbereitet durch Videos, Texte, Podcasts, Q&As etc. Es bietet sich wirklich an, das für inhaltliche Nischen wie eure zu machen.

Du hast gerade Multimedia erwähnt: Genau das ist uns auch wichtig. Dass wir also alle Lektionen als Text, Audio und Video entwickeln und dazu regelmäßige Live-Sessions anbieten. Ich finde es sehr interessant, was man da alles machen kann. Und die letzten zwei Jahre haben dem Thema digitales Lernen sicher auch nochmal einen Schub gegeben, weil viele Leute das mehr oder weniger zwangsläufig zum ersten Mal genutzt haben. Einige gute Beispiele gibt es da sicherlich und jetzt sind wir dabei, unseres umzusetzen.

Ich bin gespannt. Daran schließt sich auch eine Frage an dich, die ich noch habe. Als alter Journalist, kann ich mir die Antwort fast vorstellen, aber ich gehe mal davon aus, dass Text deine liebste Content-Form ist? Was macht dir, einmal als Produzent und einmal als Konsument, am meisten Spaß? 

Ich finde es gerade toll, dass du die Auswahl hast und verschiedene Formate für verschiedene Gelegenheiten machen kannst. Ich habe in der Vergangenheit auch Videos gemacht und das sehr gerne. Ich habe, als ich beim t3n-Magazin gearbeitet habe, gemeinsam mit meinem Kollegen David Maciejewski eine wöchentliche YouTube-Show gehabt, Technik-Load hieß die. Das hat uns beiden unheimlich viel Spaß gemacht. Ich habe später für Upload Videos aufgenommen. Der Aufwand ist da natürlich enorm. Zwar brauchen auch die Texte, die ich schreibe, ihre Zeit. Dennoch ist ein Video immer noch deutlich aufwendiger. 

Als Konsument würde ich sagen, es kommt immer so ein bisschen darauf an. Ich nutze tatsächlich alles: Ich lese, schaue Videos auf YouTube, verfolge Podcasts. Manches ist einfach schön zu sehen, während jemand es erklärt und manchmal möchte ich in Ruhe lesen und da ist ein Text dann nochmal tiefgehender als es ein Video sein kann. 

Darauf aufbauend noch eine letzte Frage zur Wahrnehmung von Inhalten. Du lebst seit längerer Zeit in den USA. Hat sich durch die doch sehr andere Kultur in den Staaten die Art verändert, wie du Medien konsumierst und bewertest?

Gute Frage. Wenn ich über professionelle Themen wie Marketing oder Content auf dem Laufenden bleiben will, hat sich bei mir eigentlich nichts verändert. Mein Englisch ist jetzt natürlich noch besser, aber das war mir früher auch schon wichtig.

Wenn es um meine privaten Informationen geht, dann hat sich das wiederum schon deutlich verändert. Besonders diese alltäglichen Kleinigkeiten wie News über deutsche Prominente bekomme ich kaum noch mit – höchstens am Rande bei Twitter. Um mich zu informieren lese ich hier online meine Lokalzeitung „Santa Fe New Mexican“, damit ich weiß, was bei uns hier in der Gegend los ist und was in der Welt passiert. Das ist natürlich eine andere Perspektive als in Deutschland und hat mich daher schon verändert. 

Vielen Dank für die tiefen Einblicke, Jan!

This post was written by

Oliver Engelbrecht

Ich bin bei LEAP/ für Marketing & Communications zuständig und verantworte damit die Lead-Generierung und das Branding der Agentur. Zudem leite ich unser LEAP/ Magazin als Chefredakteur. Zuvor habe ich das SEO-Portal aufgebaut und geleitet.