Hallo, Jacqueline und willkommen bei LEAP/. Du hast uns ja erzählt, dass du vor deiner Selbstständigkeit in anderen Bereichen unterwegs warst – zum Beispiel als Chief Operating Officer. Was sind die wichtigsten Lehren, die du in dieser Zeit für dich gezogen hast?
Ja, das ist richtig. Nach meinem BWL-Studium an der Humboldt Universität zu Berlin habe ich drei Jahre lang im International Sales und etwa sieben Jahre in der Unternehmensführung gearbeitet, unter anderem als Gründerin, COO und CEO. Die drei wichtigsten Lehren meiner Karriere waren: den Wert von Kommunikation zu erkennen, zu verstehen, dass jeder Mensch anders tickt und entsprechend unterschiedlich zu motivieren ist und dass Erfolg immer vom Entwicklungsgrad der eigenen Persönlichkeit abhängig ist.
Dann gehen wir die drei Erkenntnisse doch einmal durch. Wie ist dir der hohe Wert von Kommunikation klar geworden und wie setzt du dieses Wissen beruflich oder auch privat für dich ein?
Nun, Sprache ist ein sehr mächtiges Werkzeug. Wir können andere Menschen allein mit Worten aufbauen, motivieren oder emotional zerstören. Weil wir Sprache in der Regel unbewusst nutzen, entstehen in unserem Alltag ständig Konflikte und Missverständnisse. Das habe ich in meinem Führungsalltag oft erlebt. Streitigkeiten, Frustrationen und innere Kündigungen waren meistens nichts weiter als das Ergebnis von fehlgeleiteter Kommunikation.
Das hat mich dazu gebracht, mich intensiv mit Kommunikation zu beschäftigen und letztlich auch Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP) für mich zu entdecken. Heute nutze ich dieses Wissen, um Teams und Einzelpersonen erfolgreicher zu machen, indem sie sich und ihre Sprachmuster besser kennenlernen und positiv steuern. Ich selbst habe natürlich auch enorme Fortschritte gemacht als ich gelernt habe, besser zu kommunizieren – sowohl mit anderen als auch mit mir. Denn auch, wie wir mit uns selbst sprechen, ist von großer Bedeutung. Das vernachlässigen viele.
Mit Sicherheit. Und das bringt uns direkt zum zweiten Punkt. Wie findest du heraus, wie ein Mensch tickt? Und was machst du dann mit diesem Wissen?
Alles was du tun musst, um herauszufinden, wie jemand tickt, ist ihm buchstäblich zuzuhören. Menschen verraten unglaublich viel über sich, allein durch die von ihnen gewählten Worte und die Art und Weise, wie sie genau kommunizieren.
Ich habe euch in diesem Kontext in der Academy ja die Meta-Programme aus dem Modell von NLP vorgestellt. Diese ermöglichen es, allein über Sprache und Beobachtung herauszufinden, wie mein Gegenüber tickt und wie ich ihn motivieren und überzeugen kann. Meta-Programme sind dabei Muster, wie Menschen Informationen wahrnehmen, verarbeiten und wiedergeben. Diese Muster spiegeln sich ganz individuell in unserer Körpersprache, unserer Kommunikation und in unserem Verhalten wider.
In unserem Alltag können wir das wunderbar beobachten: Einige Menschen werden bei einer neuen Aufgabe sofort aktiv, andere warten erst einmal ab. Einige lieben Routinen, andere brauchen ständig Abwechslung. Mancher legt seinen Fokus auf Ergebnisse, ein anderer konzentriert sich auf gelungene Beziehungen. All das sind Beispiele für unbewusst ablaufende Meta-Programme. Wenn wir unsere eigenen und die Meta-Programme anderer Menschen kennen, erleichtert das unser Leben immens. Wir verstehen plötzlich, wieso wir und andere auf eine bestimmte Art und Weise handeln – und haben die Möglichkeit, andere besser einzuschätzen, zu motivieren und zu überzeugen. Im beruflichen Kontext lassen sich Meta-Programme daher hervorragend im Recruiting, im Teambuilding, in der Projektarbeit und für die Mitarbeitermotivation einsetzen.
Gerade im Recruiting ist es ja sehr wichtig, dass man Menschen richtig einschätzt. Hast du ein paar Beispiele, worauf man hier konkret achten sollte?
Ich habe mich vor einiger Zeit mit einem CEO eines jungen Start-ups unterhalten und ihn gefragt, wie er seine Personalentscheidungen trifft. Er sagte: „Ich handele aus dem Bauch heraus und gehe auch nach Sympathie.“ Auf meine Frage, wie gut das denn funktioniert, sagte er nur: „Mal klappt es gut und mal nicht.“ Dieses Vorgehen ist gerade in kleineren Unternehmen gang und gäbe und führt leider häufig zu teuren Fehlentscheidungen, weil wir bei Personalentscheidungen weitaus weniger objektiv sind, als wir es annehmen. Wir fallen unseren kognitiven Verzerrungen zum Opfer und merken es nicht einmal. Deshalb sollte Recruiting standardisiert werden, um uns von unseren kognitiven Verzerrungen loszumachen und tatsächlich den Best Fit einzustellen.
Für Recruiter von KMU habe ich dazu unter Einsatz der Meta-Programme ein standardisiertes Vorgehen entwickelt. Einfach zusammengefasst funktioniert das so: Zunächst wird klar definiert, welche Rolle zu besetzen ist und welche Eigenschaften bzw. Meta-Programme der Kandidat für die Rolle mitbringen muss. Zum Beispiel: Soll der Kandidat proaktiv oder eher reaktiv sein, soll er den Fokus auf Details oder auf das große Ganze haben, soll er prozedural arbeiten oder eher optionale Chancen wahrnehmen? Steht das Persönlichkeitsprofil fest, werden konkrete Fragen erarbeitet, die genau diese Eigenschaften abprüfen und im Gespräch bei jedem Kandidaten standardisiert abgefragt werden. So lässt sich ganz konkret sagen, ob der Bewerber das mitbringt, worauf es wirklich ankommt.
Das hört sich echt sinnvoll an. Du meintest ja, dass es kein richtig oder falsch bei den Meta-Programmen gibt. Aber gibt es Programme, die so gar nicht zusammenpassen? Also Vertreter, die partout nicht zusammenarbeiten können?
Ja klar gibt es das. Das erleben wir ständig in unserem beruflichen Alltag. Zum Beispiel reagieren bei Meetings die einen völlig genervt, weil sie schon längst die Lösung des Problems kennen, während die anderen noch an Details hängen. Hier treffen global denkende auf detailorientierte Menschen.
Oder wenn der Chef eine Visionsrede hält und einige Mitarbeiter insgeheim die Augen verdrehen, weil es ja schließlich vorher noch genug Probleme zu lösen gibt. Hier trifft gewissermaßen ein „hin zu“-orientierter Stil auf einen „weg-von“-orientierten Stil.
Umgehen können wir solche Situationen, indem wir mit unserer Kommunikation auch gegensätzliche Meta-Programme abholen, also nicht nur mit unserem eigenen Meta-Programm kommunizieren. Wichtig ist natürlich in dem Zusammenhang auch zu respektieren, dass andere anders ticken und mein eigener Persönlichkeitsstil nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
Und damit sind wir beim Entwicklungsgrad der eigenen Persönlichkeit. Wie schaffe ich es, den aktuellen Stand von anderen Menschen zu respektieren und wie bringe ich Leute, die auf ganz unterschiedlichen Ebenen sind, auf einen Dampfer?
Wie ich gerade schon sagte, halten wir uns selbst oft für das Maß aller Dinge. Das ist kein egoistisches Verhalten. Wir glauben unbewusst, alle anderen seien so wie wir und unser Verhalten ist das richtige. Zu erkennen, dass absolut niemand auf dieser Welt so ist wie wir (und dass jeder so sein darf, wie er ist, ohne ihn als richtig, falsch, gut oder böse einzustufen), ist wohl die wertvollste Haltung, die wir uns als Chef, Mitarbeiter, Kollege, Freund oder Partner aneignen können. Wenn wir diese Haltung haben, gelingt es auch leichter, alle Menschen da abzuholen, wo sie stehen – und sie für eine Mission zu vereinen.
Du bringst ja immer wieder Menschen bei, NLP richtig einzusetzen. Kommen dir dabei auch mal Menschen unter, die du gar nicht „lesen“ kannst? Welche Tools hast du, um diese dann trotzdem noch einordnen zu können?
Ich bin mittlerweile sehr geschult darin, andere zu lesen. Das hat mir mein Ausbilder Chris Mulzer bei meiner NLP-Trainer-Ausbildung regelrecht eingeimpft. Es reicht völlig aus, den eigenen internen Dialog zu verlassen, den anderen genau zu beobachten und eher darauf zu hören, wie etwas gesagt wird, statt was gesagt wird. Und natürlich sind auch Fragen der Schlüssel. Wenn ich oft genug die richtigen Fragen stelle, kann ich mein Gegenüber sehr genau einschätzen.
Um damit einmal den Bogen zu spannen: Inwieweit kann man NLP nicht nur im Sales-Prozess, sondern auch schon im Marketing nutzen? Also beispielsweise, um die Zielgruppe besser kennenzulernen?
Hier werden die sogenannten Repräsentationssysteme interessant. Menschen haben bevorzugte Wahrnehmungskanäle, vorrangig visuell, auditiv oder kinästhetisch. Das bedeutet, dass Menschen ihren individuellen Fokus verstärkt auf dem Sehen, Hören oder Fühlen haben. Sie nehmen Informationen über ihren bevorzugten Kanal auf und nutzen auch die entsprechende Sprache. Dazu ein Beispiel aus dem Automobil-Marketing: Der Satz „Das Leder fühlt sich gut an“ spricht einen Kinästheten an, nicht aber einen auditiven Typ. Dieser wird angesprochen von „Der Motor hat einen satten Klang“. Mit dem Wissen über Repräsentationssysteme können wir im Marketing alle Wahrnehmungskanäle ansprechen und so den größten Teil unserer Zielgruppe abholen.
Das ist auf jeden Fall ein schönes Ziel. Zum Abschluss interessiert mich jetzt noch eines: Was für Meta-Programme hast du an dir selbst entdeckt, und wie äußern sich diese in deinem Alltag? Oder anders gefragt: Versuchst du manchmal auch, diese bewusst zu ignorieren?
Die meisten meiner Meta-Programme sind für mich beruflich und privat sehr hilfreich. Ich bin proaktiv, global, optional, internal und „hin zu“-orientiert. Das heißt konkret: Ich bin intrinsisch motiviert, konzentriere mich auf das große Ganze, nehme Optionen wahr, kann meine eigene Leistung selbst bewerten und konzentriere mich auf Ziele statt auf Probleme.
Weniger hilfreich war es in meinem Führungsalltag, dass ich tendenziell eher ergebnis- statt beziehungsorientiert bin. So habe ich manchmal die Befindlichkeiten meiner Mitarbeiter weniger stark wahrgenommen, als es nützlich gewesen wäre. Außerdem bin ich ein unverbesserlicher Gegenbeispiel-Sortierer. Das bedeutet, dass mein erster Impuls auf Fragen eher ein Nein statt ein Ja ist. Das bereitet vor allem meinen Freunden manchmal Vergnügen. Statt mich im Restaurant zu fragen „Lädst Du heute ein?“, sagen sie „Du willst heute bestimmt nicht die Rechnung bezahlen, oder?“. Mein natürlicher Impuls ist dann: „Warum denn nicht?“.
Wie wir sehen, kann man auch viel Spaß mit den Meta-Programmen haben. Und wie heißt es so schön: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.
Dann sollten wir jetzt alle einmal tief in uns hineinhorchen. Vielen Dank für die lebendigen Beispiele und bis bald!