Hallo, Insa und willkommen bei LEAP/! Als Speaker-Trainerin hilfst du Menschen dabei, authentisch aufzutreten und ihre „eigene Sprache zu entwickeln“. Was sind hier deiner Erfahrung nach die wichtigsten Dinge, mit denen man sich von der Masse absetzen kann?
Es sind die kleinen Geschichten und Anekdoten, die oft einen großen Unterschied machen. Etwas, was man selbst im Job oder auch privat erlebt hat, was zum Thema und zum Publikum passt. Der positive Effekt: Wenn du solche Elemente in deinen Talk oder deine Keynote einbaust, benutzt du automatisch einfache Wörter und verzichtest auf komplizierte Fachsprache. Dein Publikum wird dir das danken. Denn: Menschen lieben Geschichten – noch dazu, wenn sie spannend erzählt bzw. vorgetragen werden und man den Kern der Story sofort versteht. Dabei musst du nicht zu privat werden. Mein Tipp: Erzähle nur das auf der Bühne, was am nächsten Tag auch über dich in der Tageszeitung oder im Web zu lesen sein darf.
Ich kann mir vorstellen, dass es ganz schöne Probleme geben kann, wenn man diese Tipps im Eifer des Gefechts nichts beachtet. Was rätst du deinen Leuten, wenn sie einmal doch etwas zu viel gesagt haben?
Entscheidend ist, vor wem du sprichst und in welcher Position du dich befindest. Ein Beispiel: Wenn du als Geschäftsführer vor Journalisten sprichst, dann sollte jedes Detail sitzen. Ich arbeite viel mit Unternehmern, die einen abwechslungsreichen Weg hinter sich haben. Dabei gab es hier und da viele Hochs und Tiefs. Unterm Strich sind sie auf ihren Weg stolz, denn er hat sie zu dem gemacht, wer sie heute sind. Falsche Entscheidungen und Fehler gehören nun mal dazu. Wichtig: Achte immer darauf, dass du niemanden mit deinen Aussagen verletzt oder unter die Gürtellinie gehst. Erst neulich habe ich einen Speaker erlebt, der die ersten fünf Minuten auf der Bühne versemmelt hat. Er war irgendwie noch nicht ganz „da“ – und das haben wir im Publikum gespürt. Seine Reaktion: Er hat es kurz thematisiert und mit seinem Vortrag noch mal angefangen. Das hat für Sympathien gesorgt.
Und wenn es jemand wirklich verhauen hat, hilft wahrscheinlich auch nur die von dir angesprochene Offenheit. Wie bekommst du Speaker dazu, auch Fehler einzugestehen – vielleicht sogar wie in deinem Beispiel vor Publikum. Denn man muss sich dadurch ja von dem Bild verabschieden, dass der Mensch auf der Bühne „allwissend“ ist.
Allwissend? Wer ist das schon. Und wäre das nicht auch langweilig? Ein Mensch ohne Ecken und Kanten? Ohne ein Profil, an dem man sich reiben kann? Über Fehler nachzudenken ist auch Teil in meinen Speakertrainings. Wir schauen uns sowohl die positiven als auch die nicht so schönen Meilensteine an. Dann überlegen wir, ob und was wir daraus für den Speaker machen. Seinen Vortrag mit einer Fehlentscheidung zu starten, dann aufzulösen, wie der Weg aus dieser Misere ausgesehen hat, kann ein spannender roter Faden sein. Stichwort: Fehler machen und lernen. Wichtig ist, dass du auf der Bühne etwas für DEIN Publikum dabei hast. Einen Gedanken oder eine Idee, den/die du mit den Menschen teilen möchtest. Es sollte dir nicht gleichgültig sein, worüber du sprichst. Gelingt dir das, springt der berühmte Funke schnell über.
Du spielst auf die “Fuck Up Nights” an … Wie bewertest du solche Konzepte aus Sicht des professionellen Speaker-Seins? Das ist sicher eine Bühne, auf der man viel lernen kann?
Bei diesen Veranstaltungen wird das Scheitern zelebriert. Diese Art des Vortrages muss zum Speaker passen. Wenn du dich darauf einlässt, mal gezielt über deine Misserfolge zu sprechen, dann kann das spannend sein – sowohl für den Speaker als auch für das Publikum. Unterm Strich sollte jedoch immer dein Publikum der Star bleiben. Es geht nicht um dich auf der Bühne. Es geht um das, was in den Köpfen der Menschen hängenbleibt. Was sie quasi nach deinem Vortrag mit nach Hause oder ins Büro nehmen können oder mit ihrer Social-Media-Community teilen können. Eine Sache, die sich schnell und einfach umsetzen lässt. Ein Beispiel, das der Motor für neue Ideen, Projekte oder gar Denkmuster sein kann.
Ich kann mir vorstellen, dass viele Speaker auch Probleme mit der richtigen Präsentation haben. Ich denke da an Textwüsten in PowerPoint oder Speaker, die einfach nur alles vorlesen, was in der Präsentation steht. Was sind die besten Wege, um Menschen solche Dinge auszutreiben?
Oha, da sprichst du einen Klassiker an, den ich leider immer noch erlebe. Ich habe gar nichts gegen PowerPoint und andere visuelle Elemente, die du als Speaker einsetzt. ABER: Denk auch hier an dein Publikum: Gibt es wirklich jemanden, der in der 22. Reihe sitzt und deine 10-Punkt-Notizen noch entziffern kann? Musst du den Menschen dein Logo auf jeder Folie um die Ohren hauen? Kennst du dich so wenig in deinem Thema aus, dass du es vorlesen musst? Nein? Dann ist das schon der erste Schritt, einen packenden Vortrag zu halten. Sprich über Themen, für die du beruflich oder privat brennst. Themen, zu denen man dich nachts aus dem Schlaf klingeln könnte und über die du spontan eine Menge zu sagen hast. Dann brauchst du keinen XXL-Spickzettel und kannst auf eine PowerPoint-Folien-Schlacht auf der Bühne verzichten.
Hast du Vorschläge, wie man deiner Erfahrung nach am besten DAS Thema findet? Weil viele interessieren sich bestimmt für verschiedene Dinge und tun sich dabei schwer, sich für das EINE zu entscheiden? Wie horcht man am besten in sich rein?
Zunächst: Hab Mut zur Lücke und entscheide dich für EIN Thema. Verabschiede dich von einem zu großen Bauchladen. Wie willst du sonst DIE Go-to-person für dein Thema werden? Eine kleine Übung: Schnapp dir ein leeres Blatt Papier, such dir ein gemütliches Plätzchen und nimm dir 30 Minuten Zeit. Worüber willst du sprechen? Welches Thema liegt dir beruflich oder privat am Herzen? Denk eine Weile nach und notiere dir fünf Ideen. Lass diesen Zettel ein bis zwei Tage lang liegen. Schau dir deine Notizen dann noch mal an und entscheide dich für EIN Thema. Thema gefunden? Dann steige richtig tief ein in die Materie/Branche, beginne zu recherchieren und baue dir ein faktenreiches Fundament auf.
Das ergibt total Sinn! Danach geht es dann ans Personal Branding. Wie bekommt man es hin, dass Veranstalter auf einen aufmerksam werden? Das kann sicher eine ganz schöne Ochsentour mit vielen unbezahlten Auftritten werden?
Was ich bei meinen Speakern oft feststelle: Sobald sie IHR Thema für ihren Signature Talk gewählt haben, ergeben sich viele Dinge von allein. Sie entscheiden sich viel leichter für oder gegen einen Auftritt. Sie vergeuden nicht mehr so viel Zeit mit der Recherche passender Events. Sie wissen immer genauer, WORÜBER und VOR WEM sie sprechen wollen. Zudem erstellen wir einen Content-Plan für den Blog oder für Social-Media-Beiträge. Sie beginnen regelmäßig über IHR Thema zu kommunizieren und das zieht mit der Zeit die richtigen Leute an. Zudem erarbeiten wir ihren individuellen Speaker-Pitch und üben den in der Praxis. Wenn du auf die Bühne willst, reicht es nicht, nur davon zu träumen. Entscheide dich für DEIN Thema, biete interessante Inhalte und bring dich als spannender Speaker – aber auch als Partner auf Augenhöhe – ins Spiel.
Unbedingt! Wem würdest du denn raten, sich als Speaker zu positionieren? Wir merken, dass es mit unserem CEO viel Sinn ergibt, auch Einzelunternehmer können davon sicher profitieren. Aber welche Zielgruppen kommen noch infrage?
Für Unternehmen oder Agenturen sollten die sprechen, die etwas zu sagen haben und das auch dürfen. Auch hier sollte man mit dem Ziel beginnen: Warum will jemand einen Vortrag halten? Was ist die eine Sache, die sie oder er für das Publikum dabei hat? Welche Botschaft soll rüberkommen? Antworten auf Fragen wie diese sind wichtig, um die Zielgruppe festzulegen.
Das kann sicher helfen, um neue Menschen auf die Bühnen zu bringen. Denn oft ist es ja so, dass sich die Speaker-Lineups in einer Branche sehr ähneln. Oft fehlt es auch gerade an Frauen. Was kann man tun, um diesen Missstand zu beheben?
Wer auch immer Konferenzen, Messen oder Events organisiert, sollte gezielt nach fitten Frauen suchen. Es gibt so viele da draußen. Und ich glaube der Satz „Wir haben wirklich keine geeignete Expertin gefunden …“ kommt einigen längst aus den Ohren raus. Ich mag es auch, wenn ich Menschen auf der Bühne erleben darf, die sich selbst eher in der zweiten oder dritten Reihe sehen. Menschen, die schüchtern sind, aber viel zu erzählen haben oder die viel erlebt haben. Schaut euch an, wie es bei der re:publica läuft: Die Organisatoren reden nicht nur über mehr Vielfalt auf der Bühne, sie sorgen auch dafür. Es wäre supercool, wenn in Zukunft auch große Events ganz selbstverständlich von einer Keynote-Speakerin eröffnet würden.
Ein wirklich sinnvoller Appell! Was rätst du denn Leuten, die etwas zu sagen haben, sich aber nicht trauen? Kannst du uns da zum Abschluss etwas mit auf den Weg geben?
Seid mutig und sucht euch einen Partner-in-Crime. Jemand, der hinter eurem Traum von der Bühne steht. Jemand, der an euch glaubt, euch pusht. Trennt euch von den Ja-aber-Leuten. Die ziehen euch nur runter. Wählt euer Thema, überlegt euch ein paar spannende Geschichten, würzt euren Vortrag mit belegbaren und aktuellen Zahlen und Fakten – das lieben Journalisten. Mein Tipp: Besucht ein Barcamp und bietet euer Thema als Session an. Auf Barcamps trefft ihr viele supernette Menschen, die wissbegierig sind und gerne über neue Themen und Ansichten diskutieren. Traut euch: Besorgt euch ein Ticket, pitcht eure Session – bzw. stellt euer Thema vor – und dann gehts los!
Das macht Mut, finde ich. Vielen Dank für deine Zeit und deine Tipps!