„Ich bin ein schlechter Angestellter“ – Felix Beilharz im Interview - LEAP/
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„Ich bin ein schlechter Angestellter“ – Felix Beilharz im Interview

Felix Beilharz spricht im Interview über Online-Marketing, den Spaß an Keynote-Vorträgen und die Vorteile der Selbstständigkeit.

by Oliver Engelbrecht
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Über Felix Beilharz

Felix Beilharz macht im Online-Marketing vor allem drei Dinge: Keynote Speaking, Inhouse-Seminare und offene Seminare. Daneben aber auch Lehraufträge und Gastvorlesungen, Beratungsprojekte und ab und zu mal ein Buch. Den Rest der Arbeitszeit füllt er mit eigenen Projekten oder Vorträgen auf Branchenkonferenzen. Und das Ganze macht er jetzt schon seit knapp 18 Jahren, ist also fast Marketing-volljährig.

Hallo, Felix und willkommen bei LEAP/. Du bist ja in vielen Feldern unterwegs und immer sehr gut beschäftigt. Aber wie hat es für dich angefangen? Wie kamst du in die Branche und wann hast du gemerkt, dass man das ja auch in Vollzeit und selbstständig machen kann?

Ich hatte meinen ersten Online-Shop schon mit 20, damals neben dem Zivildienst. Das war so 2001 oder 2002. Das lief ganz gut und so habe ich gemerkt, dass dieses Online-Business-Ding etwas ist, das irgendwie funktioniert.

Ich habe dann angefangen zu studieren, aber mit dem Thema Online-Marketing nebenbei immer weitergemacht. Habe angefangen, Affiliate-Websites aufzuziehen, erste Erfahrungen mit Online-Werbung gemacht und auch schon erste Infoprodukte verkauft.

2005 oder so habe ich dann in den USA Software-Lizenzen gekauft und hier weiterverkauft. Dieses Business hat mich bis 2012 begleitet, bevor ich das Projekt dann verkauft habe.

2006 war ich für ein Jahr in Spanien. Dort hatte ich zwar eigentlich ein Praktikum, aber nebenbei viel Zeit, die ich vor allem für Online-Marketing genutzt habe. In dieser Zeit sind zwei meiner wichtigsten Projekte entstanden, dazu gleich mehr.

Nach meiner Rückkehr 2007 hatte ich dann eine wichtige Entscheidung zu treffen: Da ich noch ein offenes Pflichtpraktikum im Studium absolvieren musste und zwei Zusagen hatte, musste ich mich entscheiden. Entweder ein halbes Jahr beim Auswärtigen Amt in London oder in einer Marketingagentur in Köln den Bereich Online-Marketing aufbauen. Das war einer der Scheidepunkte in meinem Leben, schätze ich. Wer weiß, was geworden wäre, wenn ich die Beamtenlaufbahn gewählt hätte.

Jedenfalls habe ich dann im Deutschen Institut für Marketing in Köln angefangen und bin dort auch nach dem Praktikum geblieben, erst als freier Mitarbeiter und dann, nach Abschluss des Studiums, als festangestellter Projektleiter.

2011 konnte ich dann eine der Websites, die ich in meiner Zeit in Spanien erstellt habe, recht profitabel verkaufen. Und das hat mir den Push gegeben, den Schritt in die Vollzeit-Selbständigkeit zu starten.

Also, langer Rede kurzer Sinn: Selbständig bin ich schon seit 17 Jahren – nebenbei oder Vollzeit. Dass mein Weg irgendwann in die Selbständigkeit führt, habe ich relativ schnell gemerkt. Ich bin ein schlechter Angestellter …

Da hast du in diesen Jahren also wahnsinnig viele Facetten des Online-Marketings mitbekommen. Was waren für dich die absoluten Höhepunkte dieser Jahre, und lag es daran, dass die Arbeit am meisten Spaß gemacht hat oder etwas ganz Neues dazukam?

Für mich persönlich hat es so richtig angefangen, Spaß zu machen, als ich immer mehr für Vorträge angefragt wurde. Das mache ich einfach am liebsten, und Keynote-Vorträge sind in den letzten Jahren immer mehr Teil meiner Arbeit geworden, was mich sehr freut.

Bezogen auf das Online-Marketing gibt es so viele Höhepunkte, dass ich sie gar nicht zählen kann. Das ist ja das Tolle an dem Thema: Es bewegt sich ständig, steht nie still. Im Laufe der Jahre kamen so viele Möglichkeiten hinzu. Wenn ich mir überlege, womit ich 2002 gearbeitet habe (primär eine Website, damals noch mit einer de.vu-Domain und Diskussionsforen) und welche Möglichkeiten wir heute zur Verfügung haben (von Social Networks über Chatbots über unendliche Möglichkeiten, Content zu erstellen und zu vermarkten) – das ist einfach genial.

Ein ganz besonderer Höhepunkt war auch der Erscheinungstag meines siebten Buches „Der Online Marketing Manager“ im Herbst 2017. Dafür habe ich mir zehn Kollegen/innen ins Boot geholt, und wir haben gemeinsam ein richtiges Standardwerk geschaffen. Am Erscheinungstag haben wir auch so stark getrommelt, dass das Buch bis auf Platz 17 in den Amazon-Charts hochgeschossen ist. Das ist für ein Fachbuch schon sehr ungewöhnlich, es war auch das höchste Ranking, das der Verlag je hatte. Leider war das Buch dann bei Amazon vergriffen, Lieferzeit wurde mit vier Wochen angezeigt – so hat es natürlich niemand mehr gekauft. Wer weiß, vielleicht wären sogar die Top 10 drin gewesen …

Aber das ist ja auch so ein wahnsinniger Erfolg. Wie bist du auf die Idee gekommen, ein solches Mammutprojekt wie dieses Buch anzugehen? Denn gerade das Koordinieren von Gastautoren nimmt ja gerne mal etwas Zeit in Anspruch …

Ich hatte gehofft, dass es weniger Arbeit ist, als so ein dickes Buch alleine zu schreiben. Im Nachhinein bin ich mir da nicht mehr so sicher.  Aber im Ernst: Ich wollte sicherstellen, dass das Buch inhaltlich wirklich spitze ist. Ich mache ja auch Online-Marketing-Seminare und bin in den meisten Themen relativ fit, aber natürlich nicht in jedem Thema tief genug drin, um darüber Bücher zu schreiben. Die Kapitel über Mobile Advertising oder Web Analytics sollten aber auf dem gleichen hohen Niveau sein wie meine Kapitel über Social Media oder Online-Trends. Da fand ich es passender, mir die absoluten Experten zu den Themen zu holen. Und ich finde, die Namensliste kann sich sehen lassen … Karl Kratz, Olaf Kopp, Markus Kellermann, Nils Kattau, Anke Probst, Guido Pelzer, Ingo Kamps, Niklas Plutte, Markus Vollmert, Manuela Meier, Wolfgang Neider – da kommen schon ein paar Jahre an Erfahrung in den jeweiligen Themengebieten zusammen …

Das ist auf jeden Fall ein sinnvoller Ansatz. Du sprichst ja schon an, dass du dich vor allem als Speaker siehst – und dafür bist du sicher auch am bekanntesten. Mich würde interessieren, wie du dich auf deine Vorträge vorbereitest? Weil ich dich noch nie auf der Bühne nach Worten ringen gesehen habe.

Bisher ist meine Vorbereitung echt unzureichend – ich überlege, was ich sagen will und bereite die Slides dafür vor. Mehr ist da meist nicht dahinter. Das darf man eigentlich gar nicht laut sagen.

Wenn das trotzdem flüssig rüberkommt, liegt das daran, dass ich erstens doch recht tief im Thema drin bin und zweitens schon seit über zehn Jahren Vorträge halte. Und das ja auch recht regelmäßig. Die Chance, dass du mich dabei siehst, wie ich etwas zum ersten Mal sage, ist recht gering.

Aber eine bessere Planung und Vorbereitung der Vorträge (dramaturgisch) ist eines meiner großen Projekte für 2019!

Ach ja, vielleicht noch interessant: Ich habe ein Dokument mit ganz vielen Beispielen aus unterschiedlichsten Branchen. Sortiert und kategorisiert nach Thema, Branche, Unternehmensgröße, Ziel der Kampagne/des Beitrags und Wirkung auf die Zuhörer. Wenn ich also einen Lacher aus dem Bereich Maschinenbau brauche, muss ich nicht lange suchen. Das hilft.

Für das Dokument würden sicher viele Leute töten. Du gibst ja mittlerweile nicht nur als Autor und Speaker Wissen weiter, sondern hast auch eine eigene Plattform dafür gegründet. Was steckt dahinter und was willst du damit erreichen?

Du meinst sicher Online Marketing Insider. Ja, das ist eine Art Kundenbindungsprogramm. Ich merke immer wieder, dass die Leute, die bei mir im Seminar sind, in ihrem Arbeitsalltag alleingelassen sind. Sie sind oft im Unternehmen der einzige Online-Marketing-Verantwortliche. Ideen, Inspiration, Know-how, Sparringspartner …  alles oft Fehlanzeige. Und ständig auf Seminare gehen, ist auch nicht drin.

Das soll Online-Marketing-Insider lösen. Für einen einmaligen Betrag erhält man Zugang zur Plattform. Aktuell stehen dort bereits über 20 Stunden Wissen in Video-Form und viele Artikel online. Und ständig kommt neues Material dazu.

Zusätzlich handele ich mit Anbietern Rabatte und Deals aus für alles, was ein Online-Marketing-Mensch so brauchen kann: Software, Tools, Events, Medien und alles andere. Wo immer möglich, habe ich Affiliate-Provisionen in Rabatte umgewandelt, so dass es viele Dinge im Insider-Bereich günstiger gibt als sonst wo im Netz. Es lohnt sich also reinzuschauen.

Du sprichst da ein Problem an, das nach Konferenzen und Seminaren sicher viele Besucher kennen: Man hat viele Ideen, aber nach einem halben Jahr ist der Umsetzungsgrad oft nicht allzu hoch. Wie bringst du deine Teilnehmer dazu, die Dinge, die du ihnen beibringst, auch umzusetzen?

Wir arbeiten im Seminar mit persönlichen To-do-Listen. Die Teilnehmer bekommen zu Beginn des Seminars Vorlagen ausgeteilt, in die sie alles, was sie Neues lernen und für umsetzbar halten, eintragen – inklusive Punkten wie „Wer muss das machen?“, „Wer muss einbezogen werden?“ etc. Am Ende lässt sich die Liste dann priorisieren, so dass eine personalisierte To-do-Liste entsteht. Das hilft vielen Teilnehmern sehr stark dabei, auch wirklich Punkte umzusetzen, anstatt vor dem riesigen Berg an neuen Inhalten zu stehen und nicht zu wissen, wo man anfangen soll.

Letztlich ist das aber natürlich auch eine gewisse Eigenverantwortung. Ich gehe ja nach dem Seminar nicht mit jedem Teilnehmer ins Unternehmen und zwinge ihn dazu, Dinge zu tun. Da ist also jeder gefordert, sich nicht nur zwei Tage berieseln zu lassen, sondern daraus auch wirklich was zu machen.

Um das Thema mal auf dich anzuwenden: Bei deinen vielen Projekten musst du ja sicher auch priorisieren – vor allem, da du ja, glaube ich, das meiste alleine machst. Wie gehst du vor, um deine Projekte alle strukturiert und effizient durchzuführen?

Da fragst du den Falschen. Ich bin furchtbar unstrukturiert. Das hat mir schon manche Probleme bereitet. Ich habe aber zum Glück mittlerweile Unterstützung, die mir den Rücken freihält, also alles übernimmt, was an Backoffice-Arbeiten, Terminplanungen etc. so anfällt. Zum Beispiel: Mein SEO-Seminar findet in fünf Städten statt. Also muss ich für 14 Termine in fünf Städten Hotels anfragen und Angebote einholen, vergleichen, Termine koordinieren etc. Für mich ist das der blanke Horror. Ich bin so froh, dass mir meine Mitarbeiterin das alles abnimmt.

Um trotzdem so strukturiert zu sein wie möglich, muss sie mir alles überall eintragen. Ich habe zum Beispiel für jedes Inhouse-Seminar ein Google Drive-Sheet, wo alle Angaben auf einer Seite zusammengestellt sind: Kunde, Thema, Datum, Zeiten, Ort, Anreise, Übernachtung, besondere Absprachen, Technik etc. So sehe ich immer auf einen Blick alles, was ich über den Tag wissen muss. Das hilft mir zum Beispiel auch, wenn ich irgendwo im Hotel aufwache und nicht mehr weiß, wo ich bin und wo ich hin muss.

Ansonsten habe ich in den letzten Jahren auch stark „entschlackt“. Von meinen in der Spitze über 100 Webprojekten habe ich fast alle gelöscht, verkauft oder verschenkt. Jetzt habe ich noch ca. fünf eigene Projekte, das ist gut handlebar. Auch das hilft mir beim Strukturieren.

Na, es hilft ja auch, wenn man weiß, wo die wichtigen Infos stehen. Gerade dann, wenn man nebenbei auch noch regelmäßig im Fernsehen auftritt. Wie hat das angefangen, und ist es für dich etwas Besonderes, vor der Kamera zu stehen?

Ich weiß gar nicht mehr, wie der allererste Auftritt zustande kam. Es war, glaube ich, RTL, die mich für ein Statement angefragt hatten. Das lief offenbar ganz gut, und so haben sie immer wieder angerufen. Und wenn du mal drin bist, bist du drin.

Allerdings beißen sich die TV-Auftritte auch mit einem Job. Ich stehe ja meistens vor Leuten und bin dann auch nicht abkömmlich. Und so musste ich schon einige echt interessante Anfragen ablehnen, unter anderem auch vom SAT.1-Frühstücksfernsehen, weil ich an dem Tag eine Vorlesung hatte, die auch nicht verschiebbar war.

Das Paradoxon daran ist: Durch TV-Auftritte wirst du erfolgreicher. Aber je erfolgreicher du wirst, desto weniger Zeit hast du für TV-Auftritte. Ein Teufelskreis.

Aber ja, ich bin immer noch aufgeregt, wenn das Fernsehen anruft. Vor der Kamera zu stehen und zu wissen, dass das im besten Fall mehrere Millionen Menschen sehen werden, ist schon eine besondere Herausforderung. Mein „RTL Extra“-Beitrag hatte eine Einschaltquote von 4,8 Millionen Zuschauern – da kann man schon mal Muffensausen kriegen. Aber es macht auch riesigen Spaß. Das ist eine meiner liebsten Facetten in meinem Job bzw. Leben.

Und da gibt es ja einige Facetten. Zum Abschluss wüsste ich gerne, welche Facetten dir noch fehlen. Was möchtest du unbedingt noch machen oder erreichen – beruflich und privat?

Beruflich gibt es so einiges. Ich möchte gern mal in der Tagesschau sein und in einer Live-Talkshow vom Format Maischberger & Co. teilnehmen. Ich denke momentan über ein Tool nach, das Unternehmen eine bestimmte Arbeit abnimmt – vielleicht wird das das nächste Steckenpferd, mal gucken.

Privat steht auch noch viel auf dem Programm. Familie gründen, noch mehr reisen, Arnold Schwarzenegger die Hand geben (ohne dafür Jürgen Höller 3.000 Euro in den Rachen schmeißen zu müssen). Es wird nicht langweilig …

Und ich habe mir vor Jahren das Ziel gesetzt, jedes Jahr mehr Geld zu spenden als im Jahr zuvor. Im Kopf habe ich eine bestimmte Zahl, die ich gerne pro Jahr spenden möchte. Wenn es so weitergeht, ist das in ca. fünf Jahren so weit. Das wäre – neben der Familiengründung – vielleicht die wichtigste Facette.

Da wird es bei dir in den nächsten Jahren sicher nicht langweilig. Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute!

This post was written by

Oliver Engelbrecht

Ich bin bei LEAP/ für Marketing & Communications zuständig und verantworte damit die Lead-Generierung und das Branding der Agentur. Zudem leite ich unser LEAP/ Magazin als Chefredakteur. Zuvor habe ich das SEO-Portal aufgebaut und geleitet.