„Wie Vertrauen entsteht, ist mittlerweile relativ gut erforscht“ – Felix Beilharz im Interview - LEAP/
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„Wie Vertrauen entsteht, ist mittlerweile relativ gut erforscht“ – Felix Beilharz im Interview

Felix Beilharz spricht im Interview über die besten Strategien für Social-Media-Marketing und darüber, was man besser lassen sollte.

by Peter Herzer
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Über Felix Beilharz

Felix Beilharz macht Online-Marketing mit Schwerpunkt auf Suchmaschinen und Social Media. Sowohl für Kunden (mittlerweile recht wenig) als auch für eigene Projekte (mittlerweile immer mehr). Dazu kommen viele Seminare und Vorträge. Ansonsten hat er einige Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen, die ihn auf Trab halten, und schreibt hin und wieder mal ein Buch.

Hallo, Felix und willkommen bei LEAP/. Du bist im Online-Marketing vor allem im Social Media Bereich als Speaker und Trainer bekannt. Warum hat es dir gerade dieses Thema so angetan?

Online-Marketing und vor allem Social-Media-Marketing sind sehr dynamische Themen. Das merke ich immer, wenn ich meine Seminare vorbereite. Nach 1-2 Jahren sind ca. 80 % der Folien ausgetauscht. Da wird es nie langweilig, man lernt ständig dazu. Egal, wie viel ich zu wissen glaube, ich merke ständig, wie viel es gibt, was ich noch nicht weiß. Das macht einfach Spaß.

Wie hat sich deiner Meinung nach die Kommunikation durch Social Media verändert?

Da sehe ich primär zwei Änderungen: Erstens läuft die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunde öffentlich ab. Ich kann über die Facebook-Seite oder den Twitter-Kanal direkt Fragen an Unternehmen stellen oder mein Feedback loswerden. Unternehmen können sich nicht mehr so leicht hinter Warteschleifen der Hotline oder anonymen E-Mail-Accounts verstecken. Und zweitens hat der Kunde deutlich mehr Einfluss auf die Wahrnehmung des Unternehmens. Früher habe ich ein paar Freunden von meinen Erfahrungen mit Unternehmen erzählt, heute via Facebook ein paar Hundert oder Tausend. Jede positive oder negative Erfahrung, die ich schildere, kann so viele Menschen erreichen wie niemals zuvor. Das gleiche gilt, wenn das Unternehmen sich entscheidet, mich als Kunden zu ignorieren. Dann sehen eben Hunderte, Tausende oder Zehntausende anderer Kunden/Nutzer, dass das Unternehmen Kundenanliegen unbeachtet lässt. Das kann sich kaum ein Unternehmen auf Dauer wirklich leisten.

Man hat  ja verschiedene Möglichkeiten Content zu schreiben. Welche sind das und was sind deren Vor- und Nachteile?

Content kann sowohl inhaltlich bzw. stilistisch als auch formal in unterschiedlichster Form daherkommen. Von der reinen Textform (Blogbeiträge, FAQs, Foren etc.) über Grafiken (Infografiken etc.) und Präsentationen bis hin zu mehr oder weniger interaktiven Audio- und Videoformaten – und jeder denkbaren Kombination daraus. Prinzipiell bin ich der Meinung, je mehr Sinne der Content anspricht, desto besser. Ein hochwertiger Blogbeitrag wird z. B. durch eine eingebundene Infografik, ein eingebettetes Video und einen angehängten Download enorm aufgewertet. Dadurch hole ich alle Nutzer ab, egal welche Form der jeweilige Nutzer gerade haben möchte. In meinen Konferenz-Recaps mache ich das gerne. Bei vielen Recaps habe ich über 20 Minuten Verweildauer und relativ hohe Share-Raten. Das zeigt, dass Nutzer gerne auch lange Beiträge lesen und mehrere Videos ansehen.

Wie kann man sich den Prozess der Entscheidung bei Usern vorstellen, worauf wird am meisten geachtet?

Das hängt immer auch von der jeweiligen Bedarfssituation des Nutzers ab. Sucht er eine spezifische Information oder will er sich allgemein in ein Thema einlesen? Welche Vorkenntnisse hat er bereits? Wie dringend ist sein Bedürfnis? Solche Umstände und Einflussfaktoren wirken sich auf jeden Entscheidungsprozess aus. Entweder weiß ich aus Erfahrung oder Analyse, welche Faktoren auf meine Besucher zutreffen, dann kann ich gezielt darauf optimieren. Oder ich weiß es nicht, dann muss ich versuchen, alle abzuholen. Zum Beispiel durch eine kurze Summary am Anfang und Ende, Checklisten und sonstige Highlights und ausführlichere Inhalte in Form von Artikeln oder Videos.

Wie kann man in diesem Entscheidungsprozess das Vertrauen eines Users steuern?

Wie Vertrauen entsteht, ist mittlerweile relativ gut erforscht. Viel hängt von Faktoren wie Social Proof, Sympathie oder Autorität ab. Was Vielen gefällt, gefällt mir mit hoher Wahrscheinlichkeit auch. Vor allem, wenn es meinen Freunden gefällt. Deshalb funktionieren die Facebook-Likeboxen mit Facepiles (Gesichter der Freunde des Besuchers) oft so gut. Wen ich sympathisch finde, dem schreibe ich automatisch eine höhere Kompetenz zu. Unternehmen nutzen gerne Schauspieler oder Sportler, um diesen Effekt zu generieren. Ist ein Telefonanbieter wirklich besser, nur weil ein Fußballer behauptet, ihn gut zu finden?

Natürlich nicht, aber völlig wurscht: Die Sympathie, die wir dem Sportler entgegenbringen, färbt auf das Produkt ab. Autorität entsteht durch bestimmte Reize. Das können optische Reize wie eine bestimmte Uniform (Arztkittel, Polizeiuniform, Blaumann etc.) oder Signale wie ein Doktortitel, Referenzen oder Zertifizierungen sein. Je mehr solcher Signale Unternehmen in den richtigen Phasen einsetzen, desto mehr Vertrauen baut sich beim Kunden auf.

Der Unternehmensblog ist ein wichtiges Instrument. Wo sollte dieser aus Unternehmenssicht angesiedelt sein?

Ich bin der Meinung: Es gibt nur wenige Fälle, wo Social-Media-Marketing ohne Blog dauerhaft Sinn ergibt. Zumindest ist das im B2B-Umfeld der Fall, aber auch im Endkundengeschäft kann der Blog gute Dienste leisten. Von daher würde ich ihn zentral in der (Online-)Marketing-Strategie ansiedeln und einiges an Zeit und Budget darauf verwenden, den Blog zu pflegen und zu einer wertvollen Unternehmensressource zu machen! Und dann die Social-Media-Kanäle nutzen, die Blogbeiträge bekannt zu machen und Traffic darüber zu generieren.

Was sind wichtige „Do’s“ die man im Social Media unbedingt beachten sollte und hast du vielleicht einige konkrete Beispiele?

Oft gehört, aber leider nicht immer getan: Sich vorher Gedanken zu machen, was man überhaupt erreichen will, ob das realistisch ist, wie man die Zielerreichung messen kann und welche Zielgruppen man überhaupt ansprechen will. Je besser man die Zielgruppen kennen und verstehen lernt, desto leichter fällt das spätere Marketing, und zwar dauerhaft.

Was außerhalb der Online-Branche auch viel zu wenige Unternehmen machen, ist eine umfassende Multiplikatoren-Analyse. Gerade im Mittelstand ist es der Regelfall, dass Marketer nicht sagen können, welche Blogger, Journalisten, Experten, Fanpage- oder Website-Betreiber etc. in der eigenen Branche eigentlich einflussreich sind. Dabei liegt hier enormes Potenzial für hohe Reichweiten und gute Interaktionsraten. Auch hier sollten Unternehmen viel mehr Zeit investieren und auch mal etwas Kreativität zeigen, um auf diese Influencer zuzugehen. „Hey, schreib doch mal was über uns“ funktioniert schon lange nicht mehr (zumindest nicht ohne substanzielle finanzielle Unterstützung).

Worauf sollte man als Unternehmen dann auf der anderen Seite lieber verzichten?

Nach einem eintägigen Seminar, bei einer Gruppe von Handwerkern, in dem wir echt gute und umsetzbare Ideen für lokales Expertenbranding und mehr/besseren Kundenkontakt mit Social Media erarbeitet hatten, war das Fazit eines der Teilnehmer: „Ok, dann schalten wir jetzt mal ein paar Anzeigen bei Facebook und gucken mal, was das so bringt“. Damals habe ich bittere Tränen vergossen, heute kann ich das als No-go-Beispiel bringen: Werbung ist keine gute Social-Media-Strategie. Natürlich kann man die Aktionen und Postings durch Werbeanzeigen begleiten oder Page Like Ads zum Aufbau von Fans schalten. Aber das ist immer nur eine begleitende Maßnahme.

Unternehmen sollten nicht immer nur nach dem Motto denken „Was können wir denn posten?“ oder „Wie können wir unseren Kunden mehr verkaufen?“, sondern vor allem „Was will denn der Kunde von uns lesen?“ und „Welche Fragen bewegen den Kunden tagtäglich?“. Mehr vom Blickwinkel des Kunden heraus denken und weniger unternehmenszentriert, das führt zu Social-Media-Erfolg. Das führt auch zwangsläufig zu mehr Content und weniger Werbung. Content muss dabei nicht immer lange Fachartikel bedeuten, sondern zum Beispiel auch Events, Webinare oder sonstige Aktionen.

Um sich erfolgreich im Bereich Social Media zu bewegen, sollte man vorab eine Strategie festlegen. Was sollte man dabei grundsätzlich beachten?

Wie schon angesprochen sollten Ziele und Zielgruppen im Mittelpunkt stehen. Eine ausführliche Analyse der Wettbewerber und der Marktsituation sowie der Stärken und Schwächen des Unternehmens sollten auch nicht fehlen. Die Auswahl der Kanäle kann dann anhand der Erkenntnisse aus diesen Schritten erfolgen. Dabei spielen dann unter anderem Faktoren wie die anfallenden Kosten (sowohl monetär als auch bezüglich Zeit und Personal), Reichweite des Kanals, technische Anforderungen oder Zukunftsaussichten.

Nicht jeder neue Kanal, der gerade in den Medien gehyped wird, muss unbedingt bespielt werden. Beispiele dafür sind Instagram oder Tumblr. In manchen Branchen mag es sinnvoll sein, diese Kanäle zu nutzen, in geschätzten 70 % der Fälle reicht die Reichweite in den gewünschten Zielgruppen zumindest in Deutschland nicht aus. Selbst bei großen und „alten“ Kanälen wie Twitter muss man genau abwägen, ob man die Zielgruppen dort erreicht. Wenn ich persönlich mal an meine Nicht-Onliner-Freunde denke, fallen mir maximal eine Handvoll ein, die Twitter nutzen. Das soll nicht heißen, dass Twitter nicht wichtig und spannend ist – man muss es eben nur genau analysieren.

Vielen Dank Felix, dass du uns die Fragen beantwortet hast und natürlich auch für deinen spannenden Vortrag und die Praxisbeispiele!

This post was written by

Peter Herzer

Nach meinem Studium bin ich ins Online-Marketing gekommen und seit 2013 bei LEAP/ (ehemals Barketing). Angefangen habe ich als Trainee und wurde dann zum Account Manager im Offpage-SEO. Dort helfe ich Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Offpage-Strategien.