„Fachwissen ist das Wichtigste“ - Eoghan Henn im Interview - LEAP/
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„Fachwissen ist das Wichtigste“ – Eoghan Henn im Interview

Eoghan Henn spricht im Interview über die notwendigen Schritte, um durch Personal Branding in einer Branche bekannt zu werden.

by Oliver Engelbrecht
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Über Eoghan Henn

Der Name Eoghan ist irisch und wird wie der englische Name Owen ausgesprochen. Wenn du Eoghan triffst, dann solltest du seinen Namen besser richtig aussprechen (er ist zwar eigentlich sehr freundlich, aber in diesem Fall garantiert er sonst für nichts!). Beruflich war er lange als Berater bei rankingCHECK aktiv, bevor er sich 2016 als Mitgründer eines Tools selbstständig machte. Mit searchVIU will er Webmaster dabei unterstützen, Relaunches fehlerfrei durchzuführen.

Wenn du nicht genug von Eoghans Meinungen und Ansichten bekommen kannt, dann solltest du ihm bei Twitter folgen, dich mit ihm bei LinkedIn vernetzen und seinen englischsprachigen Blog Rebelytics bookmarken.

Hallo, Eoghan, schön, dass wir uns mal wieder unterhalten! Heute geht es darum, wie man es als Online-Marketer schafft, eine Personal Brand zu werden – also eine bekannte Personenmarke zu werden. Zunächst einmal: Wie definierst du eine solche Marke?

Du legst immer gleich mit der schwierigsten Frage los! Ich denke, eine persönliche Marke im Online-Marketing hat man dann, wenn man innerhalb der Branche als Experte zu einem bestimmten Thema (oder zu mehreren Themen) bekannt ist. Dabei kommt es allerdings nicht unbedingt auf eine große Reichweite an. Es muss dich nicht jeder kennen, der im Online-Marketing arbeitet, vor allem nicht, wenn du dich auf Nischenthemen spezialisierst. Wenn jemand allerdings intensiv zu deinen Spezialthemen recherchiert, dann sollte die Person über deinen Namen stolpern. Macht das Sinn?

Total, ich sehe das ganz genauso. Was sind für dich die wichtigsten Grundvoraussetzungen, die man erfüllen muss, bevor man mit dem mehr oder weniger gezielten Aufbau einer Personenmarke beginnen kann? Jetzt mal abgesehen von Fachwissen.

Ja, Fachwissen ist das Wichtigste, wie du schon sagst. Aber fast genauso wichtig ist das Selbstvertrauen, dass dieses Wissen auch etwas wert ist – und dass es Leute gibt, die sich dafür interessieren. Ich denke, das ist für viele die größte Hürde. Und wo du schon den „mehr oder weniger gezielten Aufbau“ ansprichst: Meine Meinung ist, dass man es gar nicht so gezielt angehen muss. Sondern eine persönliche Marke ist eher ein positiver Nebeneffekt, wenn man sich dazu entscheidet, sein Wissen zu teilen, um anderen zu helfen und um der Branche, in der man so viel gelernt hat, etwas zurückzugeben. Ganz ehrlich: Wenn man die Markenaufbau-Komponente dabei übertreibt, dann läuft man Gefahr, einfach nur zu nerven.

Unbedingt, das wirkt dann auch selten authentisch. Aber ein gewisses Sendungsbewusstsein muss man schon mitbringen, sonst wird man keinen Spaß daran haben, die sozialen Medien zu bespielen oder sich auf Bühnen zu stellen. Wie hat es denn bei dir angefangen, dass du dein Wissen teilen wolltest und gemerkt hast, dass das gut ankommt?

Ich wurde in meinem zweiten Agenturjob bei rankingCHECK (heißt heute morefire) quasi ins kalte Wasser geworfen. Dort musste jeder Mitarbeiter regelmäßig bloggen und es gab gerade für einen Neuling absolut keine Möglichkeit, sich zu drücken. Zum Glück lag mir das Schreiben schon immer, ich hatte halt nur noch nie etwas veröffentlicht. Für meine ersten Blogartikel habe ich dann direkt sehr gutes Feedback von den Lesern bekommen und gerade deshalb hat es mir großen Spaß gemacht. Heute veröffentliche ich weiterhin regelmäßig Blogartikel, auch wenn ich nie eine wirklich hohe Frequenz erreicht habe. Ich weiß aber ganz sicher, dass ich nicht da wäre, wo ich heute bin, wenn ich damals nicht zum Bloggen „gezwungen“ worden wäre und ich bin unendlich dankbar dafür.

Den Begriff „Sendungsbewusstsein“ kannte ich bisher nicht, aber ich glaube, dass eigentlich jeder Charaktertyp einen Weg für sich finden kann, sein Wissen zu teilen. Ich bin zum Beispiel extrem schüchtern und wenn ich als Besucher auf eine Konferenz gehe, stehe ich den ganzen Tag alleine in einer Ecke und schäme mich auch noch dafür. Wenn ich allerdings als Speaker hingehe, kommen die Leute zu mir und wollen mit mir reden. Ich nehme also die Qual auf mich, vor einem Publikum zu sprechen, um die Qual zu vermeiden, eine Unterhaltung anfangen zu müssen.

Das ist natürlich eine geniale Strategie! Wie bist du denn an deinen ersten Speakerslot gekommen und wie war die Vorbereitung darauf? Ich wäre da ziemlich nervös.

Ich war und bin auch jedes Mal total nervös! Seit fast anderthalb Jahren mache ich sogar genau aus diesem Grund gar keine Konferenzen mehr, weil es mir einfach zu viel Stress geworden ist. Vorher habe ich 13 Jahre in einer Punkrockband gespielt und mir auch vor jedem Konzert in die Hosen geschissen. Manche Leute sind halt so.

Mein erster öffentlicher Vortrag war auf dem Inbound-Marketing-Day 2015 am Tag vor der SEO Campixx in Berlin. Da kann im Prinzip jeder sprechen. Es ist also nicht schwer, an einen Speakerslot zu kommen. Ich habe meine Folien sorgfältig vorbereitet und den Vortrag vor meinen Kollegen bei rankingCHECK geübt. Ich wusste, dass ich das Thema drauf hatte und das hat ein bisschen geholfen, aber die Nervosität war trotzdem überwältigend. Am Tag des Vortrags war ich dann auch noch so krank, dass ich kaum aufstehen konnte, und der Raum war bis zum Platzen gefüllt. Aber es hat trotzdem alles sehr gut geklappt. In den darauffolgenden Jahren wurde ich dann noch zu ein paar weiteren Konferenzen eingeladen, aber je wichtiger die Konferenz, desto schlimmer wurde auch die Nervosität. Einige der Einladungen kamen dadurch zustande, dass irgendwer einen meiner vorigen Vorträge gesehen hatte, aber viele sind auch aufs Bloggen zurückzuführen.

Wenn man als Experte zu einem gewissen Thema wahrgenommen wird, dann wird man auch automatisch zu Konferenzen eingeladen. Aber wie gesagt, aktuell mache ich keine Vorträge mehr, um meine Nerven zu schonen und ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, ob ich in absehbarer Zeit nochmal irgendwas mache, außer vielleicht etwas Familiäres wie die Campixx.

Es wird sicher vielen Leuten helfen zu hören, dass es auch erfahrenen Speakern wie dir so geht. Was war denn über die Jahre, neben dem Bloggen, dein liebster Kanal, um dein Wissen zu teilen? Und welche Plattform empfiehlst du Menschen, die heute in unserer Branche damit anfangen möchten?

Ich habe mal vor Jahren ein Webinar bei SEMrush gemacht und ich habe es gehasst, weil es genau so schlimm ist wie ein Vortrag vor Publikum – außer dass man null Feedback bekommt und keine Ahnung hat, wie der Vortrag gerade ankommt. Auf einer Bühne kann man wenigstens noch in die Gesichter der Zuhörer schauen, aber während eines Webinars redet man einfach nur mit seinem Bildschirm. Das Witzige dabei ist aber, dass mich selbst heute noch Leute auf genau dieses Webinar ansprechen. Es war also wohl nicht ganz so schlimm, wie es mir selbst vorkam.

Einmal war ich auch als Gast in Maik Bruns’ fantastischem Podcast und das hat mir großen Spaß gemacht, weil es quasi so ist wie Telefonieren. Also alles sehr entspannt. Und bei rankingCHECK haben wir damals ein paar Videos gedreht, aber das Ergebnis war mir sehr peinlich. Ansonsten habe ich bisher nicht viele Formate oder Kanäle ausprobiert und ich glaube zu wissen, dass das Bloggen für mich die passendste Form ist, mich auszudrücken.

Generell würde ich jedem empfehlen, genau das auch für sich selbst zu suchen. Manche schreiben gerne, andere reden gerne, wieder andere können Sachverhalte grafisch darstellen … und so weiter. Ich denke, dass es für jeden das richtige Format gibt und nur wenn man dieses findet, kann man sich gut ausdrücken und auch Spaß dabei haben.

Definitiv. Gibt es denn Dinge, von denen du abraten würdest (weil sie dir selbst passiert sind oder weil du sie bei anderen nicht optimal findest)? Du hattest ja das Thema „krampfhafter Markenaufbau“ schon angerissen – gibt es da noch andere Punkte?

Ich finde, dass man Selbstpromotion weitestgehend vermeiden sollte, wenn man ernstgenommen werden möchte. Wenn man etwas teilt, sollte man einfach nur das Ziel verfolgen, Wissen weiterzugeben und Menschen auf ihrem Weg zu helfen. Die eigenen Dienstleistungen oder Produkte sollte man außen vor lassen.

Schade finde ich es zudem, wenn sich Experten darüber beschweren, dass andere sie um kostenlose Ratschläge bitten. Ich verbringe jeden Monat viele Stunden damit, Leuten für lau zu helfen – meistens komplett privat und ohne, dass die Öffentlichkeit mitlesen kann, und es ist einfach ein sehr schönes Gefühl zu helfen. Und nicht nur das: Hin und wieder entsteht durch so etwas auch eine gewinnbringende Geschäftsbeziehung. Es macht also nicht nur fürs Karma Sinn, sondern auch fürs Business.

Das ist auf jeden Fall ein schöner Nebeneffekt. Welche weiteren Dinge kommen deiner Erfahrung nach „zu dir zurück“, wenn du dein Wissen teilst?

Man hört halt auch selber nie auf zu lernen! Wenn man einen Blogartikel veröffentlicht, erhält man Feedback und Rückfragen, die einen zum Weiterdenken anregen und man sieht dadurch weitere Aspekte, die einem vorher verborgen waren. Außerdem ist man quasi dazu gezwungen, zu den Themen, zu denen man in der Vergangenheit Inhalte veröffentlicht hat, auf dem Laufenden zu bleiben. Ein guter Blogartikel bekommt auch Jahre später noch viel Traffic und man hat eine Verantwortung, die Informationen zu aktualisieren, wenn sich die Sachverhalte ändern. Wissen zu teilen ist der beste Weg, Wissen zu vermehren!

Das ist auf jeden Fall ein oft unterschätzter Aspekt! Gibt es etwas, was du heute zum Thema „Wissen teilen“ weißt, von dem du dir wünschst, dass dir jemand das ganz am Anfang deiner Laufbahn gesagt hätte?

Ja: Dass es nie zu früh ist, damit anzufangen. Und dass man immer einen gewissen Teil seiner Zeit dafür blocken sollte. Wenn ich Personalverantwortung hätte, dann würde ich jeden Mitarbeiter ab dem ersten Tag dabei unterstützen, Wissen zu teilen und das richtige Format dafür zu finden, und diesen Aufwand auch bei der Ressourcenplanung mit hoher Priorität berücksichtigen.

Das ist ein guter Punkt. Aber aus meiner Erfahrung sehen viele das als lästige zusätzliche Arbeit neben den Kundenprojekten. Wie würdest du die Vorteile kommunizieren und Mitarbeiter motivieren, Texte zu schreiben, Videos zu machen, in sozialen Medien zu netzwerken oder als Gast bzw. Speaker zu Konferenzen, Barcamps und Meetups zu gehen?

Wenn Mitarbeiter es als Zusatzbelastung empfinden, dann liegt es höchstwahrscheinlich daran, dass sie bereits zu viele Kundenprojekte haben. Der erste Schritt wäre also, sie zu entlasten. Gerade am Anfang brauchen einige wahrscheinlich auch besondere Unterstützung dabei, Selbstvertrauen zu entwickeln und das richtige Format für sich zu finden. Hier müssen also die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, zum Beispiel durch Mentoring oder Gruppenprojekte. Und wer die Öffentlichkeit komplett scheut, kann ja zunächst nur intern Wissen vermitteln und darüber Selbstvertrauen aufbauen. Die Vorteile für den Einzelnen sollten auch klar vermittelt werden: Wer öffentlich als Experte auftritt, hat bessere Karrierechancen – sowohl innerhalb des Unternehmens als auch später, wenn die nächsten Schritte anstehen.

Unbedingt. Daher zum Abschluss noch die Frage: Was glaubst du, welche Türen dir dein Vorgehen bisher schon geöffnet hat? Du hast neue Kunden schon angesprochen, aber ich kann mir vorstellen, dass du ohne dein öffentliches Profil vielleicht auch kein Toolbetreiber wärst?

Ich kann 100 Prozent meiner Einnahmen, seitdem ich mich selbstständig gemacht habe, ganz klar darauf zurückzuführen, dass ich mein Wissen seit Jahren öffentlich und privat teile, ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten. Unsere Tool-Kunden kommen ebenfalls direkt oder indirekt aus diesem Grund zu uns. Als wir zum Beispiel mal einen Beitrag in einem großen Magazin bekommen haben, der uns Hunderte von Leads beschert hat, dann lag das daran, dass ich einem Redakteur dieses Magazins einmal bei einer Analytics-Frage geholfen hatte und ihn deshalb um einen kleinen Gefallen bitten konnte. So etwas kann man natürlich weder steuern noch planen, aber wenn man großzügig mit seinem Wissen und seiner Zeit umgeht, dann bekommt man meist ein Vielfaches von dem zurück, was man investiert hat.

Das sollte definitiv die größte Motivation sein. Vielen Dank für die Einblicke!

This post was written by

Oliver Engelbrecht

Ich bin bei LEAP/ für Marketing & Communications zuständig und verantworte damit die Lead-Generierung und das Branding der Agentur. Zudem leite ich unser LEAP/ Magazin als Chefredakteur. Zuvor habe ich das SEO-Portal aufgebaut und geleitet.